Einhegungen, Bewässerung und Waldteilungen im Kanton Luzern im 16. und 17. Jahrhundert
Luzerner Historische Veröffentlichungen Band 30.
283 Seiten. 3 Karten, Leinen, 58.-
ISBN 3-7252-0633-3
Über die Geschichte der schweizerischen Landwirtschaft des 16. und 17. Jahrhunderts ist wenig bekannt; allgemein gilt dieses Zeitalter als Epoche, in der es kaum Fortschritte im Agrarsektor gab. Erst die Reformbewegung der Ökonomischen Patrioten in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts soll Bewegung in die erstarrte, traditionsverhaftete Landwirtschaft gebracht haben. Das vorliegende Buch des Luzerner Historikers Andreas Ineichen zeichnet demgegenüber ein neues, weniger düsteres Bild der frühneuzeitlichen Agrarwirtschaft. Anhand von neu erschlossenem Quellenmaterial weist er nach, dass es bereits vor dem Aufklärungszeitalter bedeutende agrarische Fortschritte gab. Im Kanton Luzern liess sich eine sehr dynamische Phase im ausgehenden 16. und beginnenden 17. Jahrhundert ausmachen. Damals schlugen Bauern in vielen Dörfern grosse Teile der Dreizelgenfluren ein, um sie individuell in einer freieren Form der Feldgraswirtschaft bearbeiten zu können. Besonders erfolgreich waren diese Einhegungen dort, wo man gleichzeitig die Bewässerung des Grünlandes einführte. Dank einer getreideintensiven Wechselwirtschaft konnten Getreide- und Heuerträge gesteigert werden. In den untersten Dörfern des Luzerner Wiggertals stieg die Getreideproduktion selbst in den klimatisch ungünstigen Jahrzehnten um 1600 stark an. Überhaupt war die luzernische Getreidewirtschaft bis ins 18. Jahrhundert hinein durchaus expansionsfähig. Verbesserungen auf dem bestehenden Kulturland und die Gewinnung von Neuland waren untrennbar miteinander verknüpft.
Träger der landwirtschaftlichen Neuerungen waren die Bauern. Nachdem der Luzerner Rat die Einhegungen lange Zeit bekämpft hatte, begann er sie in den letzten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts zu fördern. Er erkannte, dass sie, wie die Bauern versprachen, dem Getreidebau tatsächlich förderlich waren. Widerstände der misstrauischen kirchlichen Zehntherren konnten gebrochen werden, weil sie sich damals noch in einer Position der Schwäche befanden.
Von der Agrargeschichte lassen sich interessante Bezüge zur politischen Geschichte machen: Einhegungen und Ausbreitung der Bewässerung waren eine Seite der intensiven Reformphase um 1600, welche für die Geschichte der katholischen Stadtrepublik Luzern eine Schlüsselepoche darstellte.
Aus dem Inhaltsverzeichnis:
1. Einleitung
2. Einhegungen in der Frühen Neuzeit
EINHEGUNGEN, WALDTEILUNGEN UND BEWÄSSERUNG IM 16. UND 17. JAHRHUNDERT
3. Zelgeneinhegungen
3.1. Beispiel Ottenhusen
3.2. Zeitliche Verteilung der Zelgeneinhegungen
3.3. Räumliche Verteilung der Zelgeneinhegungen
3.4. Gründe für die Zelgeneinhegungen
3.5. Wechselwirtschaft im eingehegten Zelgenland
3.6. Vorteile der Wechselwirtschaft
3.7. Ergebnisse
4. Allmendeinhegungen
4.1. Neulandgewinnung
4.2. Ansiedlung der dörflichen Unterschicht: Taunerdörfchen
4.3. Allmendackerbau: von den "Rütenen" zur geregelten Aussenfelderwirtschaft
4.4. Obrigkeitliches Projekt zur Besiedlung des Entlebucher Hochwaldes (1588-1596)
5. Waldteilungen
5.1. Waldteilungen in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts
5.2. Einschränkung der individuellen Nutzung
5.3. Teilungsmodus und Durchführung
5.4. Verselbständigung der Einzelhöfe
6. Bewässerung
6.1. Bewässerung in der Landwirtschaft des Mittellandes
6.2. Verbreitung der Bewässerung
6.3. Entwicklung der Fluren im mittleren Wiggertal
6.4. Getreidebau auf dem Wässerland
6.5. Wachstum der Getreideproduktion
6.6. Preise des Wässerlandes
6.7. Ergebnisse
TREIBENDE KRÄFTE UND POLITSCH-SOZIALER RAHMEN
7. Treibende Kräfte
7.1. Bevölkerung
7.1.1. Zur Bedeutung der Bevölkerungsentwicklung
7.1.2. Bevölkerungsentwicklung im Kanton Luzern
7.1.3. Einhegungen und Bevölkerungsentwicklung
7.1.4. Einfluss der klimatischen Verschlechterung
7.2. Verschuldung und Markt
7.2.1. Subsistenzwirtschaft und Marktbeziehungen
7.2.2. Bäuerliche Verschuldung
7.2.3. Einhegungen und Viehwirtschaft
8. Politischer und sozialer Rahmen
8.1. Grundzins- und Zehntherren
8.1.1. Interessen der Grundzinsbezüger
8.1.2. Interessen der Zehntherren
8.1.3. Schwäche der kirchlichen Zehntherren am Ende des 16. Jahrhunderts und ihr Wiedererstarken im 17. Jahrhundert
8.2. Städtische Obrigkeit
8.2.1. Bekämpfung der Einhegungen im 15. Jahrhundert und in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts
8.2.2. Förderung der Einhegungen nach 1570
8.2.3. Einhegungspolitik als Teil der Reformpolitik am Ende des 16. Jahrhunderts
8.2.4. Ende des landesherrlichen Patriarchalismus im 17. Jahrhundert?
8.3. Soziale Ungleichheit im Dorf
8.3.1. Vollbauern und Tauner
8.3.2. Einhegungen und soziale Ungleichheit
8.4. Bäuerliche Neuerungsbereitschaft
Aus der Zusammenfassung:
9. Vergleich mit den Einhegungen am Ende des Ancien Régime
Die Einhegungsbewegung des "langen" ausgehenden 16. Jahrhunderts und die des späten 18. Jahrhunderts weisen auf den ersten Blick viele Parallelen auf. Beim näheren Hinschauen entdeckt man allerdings auch grundlegende Unterschiede. Im Sinne eines Ausblicks soll hier ein Vergleich zwischen den beiden Landindividualisierungswellen angestellt werden.
Beide Einhegungsbewegungen fanden in agrarischen Expansionsphasen statt. Sie entstanden im wesentlichen unter dem Druck, die agrarische Ressourcenbasis für die stark angewachsene Bevölkerung auszuweiten. Die erste Bewegung setzte allerdings gegen das Ende einer Periode des starken agrarischen Wachstums ein und stellte eine Konsolidierungsphase dar. Ihr voraus ging eine illegale, quellenmässig kaum rekonstruierbare Einschlagstätigkeit. Die Einfriedungen am Ende des Ancien Régime dagegen bildeten den Auftakt einer Erneuerungsperiode, die sich weit ins 19. Jahrhundert hineinzog. Nach den politischen Umwälzungen um die Jahrhundertwende nahm der agrarische Wandel eine neue Qualität an, da er nun erstmals durch eine systematische Gesetzgebung unterstützt wurde. Gegenüber den pragmatischen Von-Fall-zu-Fall-Entscheiden der Gnädigen Herren, denen immer auch ein Stück Willkür innewohnte, bedeutete das ein gewaltiger Fortschritt. Zum ersten Mal wurden Veränderungen in der Landwirtschaft nicht nur "von oben" gefördert, sondern tatsächlich ausgelöst.
Obwohl im Kanton Luzern die Gesetze der Mediationszeit (1803-1813) die Agrarmodernisierung stark beschleunigten, darf nicht übersehen werden, dass die Erneuerungsbewegung noch im Ancien Régime einsetzte. Ihr Beginn fiel in die zweite Hälfte der 1760er Jahre. Aus dieser Zeit sind Gesuche für Einhegungen aus Dagmersellen (1765), Schötz (1767) und Rüediswil (1767) überliefert. Anfang der 1770er Jahre hegten Grundbesitzer in mehreren Dörfern ohne Erlaubnis Zelgenäcker ein und wurden vom Rat zur Auslassung angehalten. In Ottenhusen, das schon 1586 120 Jucharten Zelgenland eingeschlagen hatte, erwachte der Einhegungswille knapp 200 Jahre später wieder. Es begehrte 1770 eine Reduktion der verzelgten Ackerflur um 150 Jucharten, wurde aber abgewiesen; wegen bereits eingezäuntem Land im Umfang von 97 Jucharten wurde eine Untersuchung eingeleitet. Auch im benachbarten Günikon erhielten 1774 illegale Einheger eine Busse. Ähnlich wie im 16. Jahrhundert folgten sich in der Einhegungspolitik eine repressive und eine liberale Phase, wobei auch diesmal die Grenze zwischen den beiden Phasen nicht scharf war. Den Bauern von Rüediswil wurde 1772 trotz Widerstand ihres Pfarrers bewilligt, Zelgen und Allmendland einzuhegen. 1783 konnten in Emmen und Rottertswil die sechs Zelgen aufgelöst werden. 1789 erhielten die Buttisholzer die Genehmigung, ihre dörfliche Wirtschaftsgenossenschaft aufzulösen. Die Zelgen wurden eingeschlagen und das Gemeinland verteilt. 1790 erteilte der Rat Dietwil (in den Oberen Freien Ämtern) die Bewilligung zur Einhegung der Ackerflur. 1792 löste Ruswil die nur noch kleine Zelgenwirtschaft auf. In den letzten Jahren der Patrizierherrschaft hoben drei Dörfer den Weidegang auf den Zelgen auf: Neudorf 1795, Hochdorf 1796 und Ostergau 1797. In Ottenhusen wurde die Abschaffung der Brachweide ebenfalls noch 1797 von der Gemeinde beschlossen, musste aber vom Rat wegen Einsprachen vorerst zurückgewiesen werden. Schliesslich sind auch in Buchrain (1774 und 1787), Merenschwand (nachträglich 1785 bewilligt) und in Rickenbach 1789 Zelgenäcker eingefriedet worden. Wenig Glück hatten die Sempacher, die sich in den 1720er und 1760er Jahren anschickten, Zelgenland einzuhegen. Wegen starker Mitnutzungsrechte der Sässhöfe in der Umgebung des Landstädtchens lehnte der Rat beide Male ab. Dennoch sind Einhegungen zustande gekommen; Ende 1797 wurden die Sempacher angehalten, ohne Erlaubnis getätigte Einschläge auszulassen.
Auch im Bereich der Allmende ist es zu Landausteilungen ganz unterschiedlichen Ausmasses gekommen. Wauwil konnte 1768 und 1789 rund 300 bzw. 75.5 Jucharten einhegen. In Rüediswil und Sigigen, beide im Kirchspiel Ruswil, wurden in den 1790er Jahren mehr als 340 Jucharten Gemeinland eingehegt. Knutwil gelang es nach zwei gescheiterten Versuchen endlich 1796, vom Rat die Bewilligung für die Allmend- und Waldteilung zu erhalten. In Mauensee und Kaltbach wurde das Gemeinland nach kleineren Zuteilungen zu Beginn der siebziger Jahre 1781/82 geteilt, Niderwil (Gemeinde Ohmstal) führte eine 50 Jucharten messende Allmende 1787 in Individualbesitz über.
Was die Entwicklung des Bodennutzungssystem betrifft, so hatten die Einhegungen am Ende des Ancien Régime durchaus Gemeinsamkeiten mit ihren Vorgängern um 1600. An vielen Orten ging es wiederum um die Ersetzung der wenig ertragreichen Dreizelgenwirtschaft durch eine vorerst auf Naturberasung beruhende Wechselwirtschaft. Allerdings schienen eher Wechselweiden, nicht Wechselwiesen angelegt worden zu sein. Für Emmen schlug Pfarrer Bernhard Leu vor, die Einschläge alternierend zur Hälfte anzubauen und zur Hälfte als Sommerweide zu nutzen. Damit sollte der Sömmerungsmangel für das Zugvieh behoben werden, das wegen der schlechten Allmende grüngefüttert werden musste, was auf Kosten der Heugewinnung ging. In Buchrain wurden schattenspendende Sommerscheunen bewilligt, allerdings nur kleine, um Holz zu sparen. In Dietwil galt die Bestimmung, dass jeder Besitzer das Vieh im eingehegten Land hüten musste, bis die Hecken hochgewachsen waren. In den durch Arrondierung vergrösserten Grundstücken war das Beweiden des Grünlands (nach dem Vorbild der Einzelhöfe) eine rationelle Wirtschaftsform; die von den Agrarreformern so eifrig propagierte Sommerstallfütterung war nicht unter allen Umständen die überlegene Methode der Viehhaltung. Dass die Wiesenwässerung auch in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts als taugliches Mittel galt, um die Landwirtschaft zu verbessern, wurde bereits erwähnt; allerdings dürfte die Neuanlage von Wässerwiesen viel geringer gewesen sein als um 1600, weil grosse Teile der dazu geeigneten Talsohlen bereits bewässert wurden.
Eine wesentliche Neuerung der Innovationsphase am Ende des Ancien Régime bestand darin, dass die Fruchtfolgen erweitert wurden. Als Nahrungsmittel besonders der stark angewachsenen Unterschicht gewann die Kartoffel grosse Bedeutung. Dass ihre Verbreitung gerade im Kanton Luzern nicht das Werk der Ökonomischen Patrioten war, ist bekannt. Die Knollenfrucht lieferte mehr als das Doppelte an Nährwerten pro Fläche als das Getreide, aber sie erforderte viel Arbeit und viel Dünger. Gerade diese letzte Eigenschaft liess sie zur "subversiven" Frucht werden. Selbst wenn sie nur im Brachjahr angebaut wurde, was mit dem Zelgenrecht vereinbar war, gefährdete sie wegen des hohen Düngerbedarfs den Getreidebau. Als Folge davon blieben Zelgenäcker auch in den zwei Getreidejahren unbebaut liegen. In Merenschwand erreichte der Zehntherr deswegen, dass für brachliegende Äcker ein Zehntersatz geleistet werden musste. Der Luzerner Rat hatte 1766 den Anbau von Kartoffeln und anderer Brachfrüchte zugelassen, doch sollte er mit Bescheidenheit erfolgen, so dass "bemeltes Brachfeld nicht allzusehr geschwächet und zur nachherigen Kornanpflanzung gleichsam untauglich gemacht" werde. Dies war übrigens der einzige Beitrag, den die Gnädigen Herren von Luzern zur Verbreitung dieser so wichtigen Kulturpflanze leisteten: Reglementierung des Anbaus im Interesse der Zehntherren. Die Kartoffel verdeutlicht noch einmal, wie sehr agrarische Neuerungen in unserer Region aus der Bauernschaft selber herauskamen und wie wenig sie von Aussenstehenden an diese herangetragen wurden.
Bedeutend unproblematischer war die Integration von Kunstgras in die Dreizelgenfruchtfolge. Klee, Luzerne und Esparsette reicherten den Boden mit Stickstoff an und begünstigten deshalb die nachfolgende Halmfrucht. In der Dorfordnung von Schötz wurde 1773 geregelt, dass diejenigen, die Klee (für das Brachjahr) ansäten, pro Jucharte angebauter Fläche ein Haupt Vieh weniger auf die Allmende treiben und dieses statt dessen im Stall halten sollten. Hier wurde der klassische Weg der Agrarmodernisierung beschritten: Besömmerung der Brache mit Kunstgras bei gleichzeitiger Einführung der Sommerstallhaltung. Der Anbau kleeartiger Futterpflanzen setzte sich allerdings nur langsam durch, erst am Ende der 1780er Jahre. In Wikon hatte ein Bauer auf dem Untern Feld 1788 und 1789, also zweimal in der dreijährigen Zelgenfruchtfolge, Klee angebaut; um den Getreideverlust zu kompensieren, säte er entsprechend mehr Getreide in den Wässermatten an. Trotzdem entstand ein Zehntstreit um den Klee. Gehörte er dem Heuzehntherrn (Schloss Wikon) oder dem Grosszehntherrn (Kommende Reiden)? Letzterer hielt den zweijährigen Kleeanbau ohnehin für einen Frevel, weil er das Zelgenrecht und das Mandat von 1766 verletzte.
Den Zehntherren bereiteten die neuen Kulturen Schwierigkeiten. Sie mussten zuerst einmal die Zehntpflicht bei den Bauern durchsetzen; gelang es ihnen, so hatten sie sich meistens mit Geldzahlungen zufrieden zu geben, die kaum dem realen Wert entsprachen. Dazu kamen oft Streitigkeiten mit andern Zehntbesitzern, weil die Kategorie des Zehnten unklar war. Nach dem Mandat von 1766 fielen in der Brachzelge angebaute Kartoffeln unter den Grosszehnten, in Einschlägen, Weiden und Allmenden gepflanzte unter den Kleinzehnten. Wenn bei der Festlegung der Zehntkategorie die Art der geernteten Frucht mit der rechtlichen Qualität des Landes, auf dem sie wuchs, vermischt wurden, waren Konflikte vorprogrammiert.
Ein anderer wichtiger Unterschied zwischen den beiden Einhegungsbewegungen war der, dass in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Angst vor dem Rückgang des Getreidebaus berechtigt war. In den Jahrzehnten um 1600 konnte, wie oben gezeigt wurde, das Getreideaufkommen gerade dank Einhegung und Bewässerung deutlich gesteigert werden. Am Ende des Ancien Régime hingegen wiesen die Zehnterträge im Kanton Luzern eine rückläufige Tendenz auf. Der Getreidebau kam von zwei Seiten her unter Druck. Einerseits zogen die Preise für animalische Produkte besonders von den 1740er bis 1770er Jahren stärker an als die des Getreides; dies veranlasste grössere Bauern, sich vermehrt auf Vieh- und Milchwirtschaft zu verlagern. In der Umgebung der Stadt Luzern entstanden neue Sennhöfe, die Milch und Milchprodukte auf dem städtischen Markt absetzten. Anderseits drängte auch der intensive Anbau von Gemüse und Kartoffeln die Halmfrüchte zurück. Genau diese doppelte Gefahr beschwor der Pfarrer von Ruswil, als die Bauern von Rüediswil einhegen wollten. Die grösseren Zelgenäcker würden zu Weiden eingeschlagen, die kleineren zu sogenannten "fressplätzen". Damit meinte er Bünten und Gärten, die mit Kartoffeln, Kohl und anderm Gemüse angebaut wurden und die Grundlage der Subsistenzwirtschaften der Armen bildeten. Auch an Hausleute liessen sich solche gewinnbringend verpachten. Beide Arten der Umnutzung waren für die Zehntinhaber nachteilig, weil sie den Getreidezehnten schmälerten. Noch in den Kategorien eines von Obrigkeit und Kirche definierten Gemeinwohls denkend, warf der Pfarrherr den einhegungswilligen Bauern vor, sie würden nur zu ihrem Eigennutz reden.
Die Einhegung von Zelgenäckern barg in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts tatsächlich das Risiko in sich, den Rückgang des Getreidebaus zu verstärken. Es stellt sich deshalb die Frage, warum die Luzerner Obrigkeit, nach einer mehrheitlich repressiven Phase zu Beginn der 1770er Jahre, dennoch Einfriedungen zuliess. Die Antwort auf diese Frage führt zu einem anderen entscheidenden Unterschied zum Zeitalter der Katholischen Reform. Am Ende des 18. Jahrhunderts gab es eine Agrarreformbewegung. Europaweit wurde die Landwirtschaft zu einem eifrig diskutierten Gegenstand gelehrter Gesellschaften, welche die Verbesserung des primären Wirtschaftssektors anstrebten. In der Schweiz kam es u.a. in Zürich, Bern, Freiburg, Solothurn, Graubünden und Basel zur Gründung solcher Sozietäten. In Luzern ist Josef Anton Felix Balthasars Plan einer Ökonomischen Gesellschaft nicht verwirklicht worden. Der Handlungsspielraum der Aufklärungsfreunde war in dieser Stadt sehr stark eingeengt, besonders für die Geistlichen, damals immer noch die wichtigsten Bildungsträger. Dennoch gab es einen kleinen Kreis von fortschrittlich eingestellten Aristokraten und Landpfarrern, welche die Erneuerung der Landwirtschaft mehr als nur theoretisch förderten. Zumindest für Luzern lässt sich sagen, dass ihr historisches Verdienst hauptsächlich darin bestand, in der weltlichen Führungsschicht und bei der Geistlichkeit den Umschwung zugunsten der Agrarreformen herbeigeführt zu haben. Sicher konnten sie auch den Bauern viele nützliche Ratschläge erteilen, aber von der Überlegenheit der Zelgeneinhegungen mussten zumindest die grundbesitzenden Untertanen nicht überzeugt werden. Das bäuerliche Erfahrungswissen um die Vorteile einer freien, wechselwirtschaftlichen Landnutzung traf zusammen mit den Erkenntnissen der "räsonnierenden Öffentlichkeit", welche die liberale Eigentumsidee zu verinnerlichen begann. Ein Luzerner Agrarreformer meinte bei der Beurteilung des Einhegungsgesuchs von Rüediswil (1767), dass es eine in der Landwirtschaft ausgemachte Sache sei, dass das freie Eigentum die Grundsäule aller Verbesserungen darstelle und dass ein jeder demjenigen Erdreich den besten Fleiss widme, welches er ungestört nutzen und geniessen könne: Dies sei der Anfang der Reichtümer Englands und aller dieses Beispiel nachahmenden Staaten.
Die Politik, die der Rat unter dem Einfluss der Agrarreformer verfolgte, war sehr vorsichtig und zögerlich. Eine besondere Einschlagungskommission prüfte die Gesuche der Untertanen und arbeitete Bedingungen aus, unter denen die Genehmigung gewährt werden konnte. Hauptanliegen der Kommission war es zu verhindern, dass der Kornbau aufgegeben wurde. Die Einhegungen wurden deshalb zeitlich befristet (in Emmen, Dietwil und Ruswil auf eine zwölfjährige Probezeit). Natürlich war es eine Illusion zu glauben, einmal durchgeführte Einhegungen hätten - besonders wenn eine Umzäunung mit Hecken vorgeschrieben war - wieder rückgängig gemacht werden können. Die im eingeschlagenen Land geschnittenen Garben mussten in ein Verzeichnis eingetragen werden, das alljährlich der Einschlagungskommission vorzulegen war. Bei anderen Zelgeneinschlägen schrieb der Rat vor, mindestens ein Drittel mit Getreide anzusäen. Die Obrigkeit wollte die agrarische Produktion weiterhin kontrollieren; sie war nicht bereit, die Untertanen in die wirtschaftliche Freiheit zu entlassen. Zwar hatte sie erkannt, dass die Einhegungen agrartechnisch überlegen waren, aber die Nutzungsfreiheit, welche die Bauern damit gewannen, versuchte sie mit Kontrolle und Vorschriften wieder einzuschränken. Selbst J. A. Felix Balthasar hegte in seinem gedruckten Werk gegenüber einer vollständigen Aufgabe der Zelgenwirtschaft Bedenken, weil die Abnahme des Getreidebaus und ein daraus resultierender Brotmangel nicht auszuschliessen seien. Dass aber das Dreizelgensystem wegen des hohen Arbeitsaufwands und der tiefen Flächenerträge, die an vielen Orten infolge der Bodenerosion auf ein bedenkliches Niveau gesunken waren, keine effiziente Form des Getreidebaus darstellte, konnte nicht bestritten werden. Die Krise von 1770/71 hatte gezeigt, dass gerade die Einzelhöfe mit ihren starken Viehbeständen und der freien Wechselwirtschaft auch die besseren Getreideproduzenten waren. Dennoch fiel es der Obrigkeit schwer, den Zelgenbau dort, wo er noch betrieben wurde, fallenzulassen, weil sie ihn für ein wichtiges Instrument zur Stützung des Getreidebaus hielt.
Die Landbevölkerung war im späten 18. Jahrhundert ebensowenig homogen wie um 1600. Die sozialen Gegensätze hatten sich sogar verschärft, weil die Unterschicht stark angewachsen war. Die Chancen, in strittigen Fragen der Flurnutzung einen Konsens zu finden, standen schlechter als im Zeitalter Renward Cysats. Auf die Individualisierung des Allmendlandes wirkte sich das hemmend aus. Mit Unterstützung der Obrigkeit wurden aber Einhegungsprojekte gegen den Willen einer der dörflichen Sozialgruppen durchgeführt. Bei Nutzung des Gemeinlandes waren die Fronten verhärtet, weil die Vollbauern gewöhnlich an der Weidenutzung festhielten, während die Tauner auf die Zuteilung von Land drängten. In Kaltbach bestätigte der Rat 1777 den Genossen zugewiesene Einschläge, obwohl die Bauern sich deswegen beschwert hatten. In Hämikon (in den Oberen Freien Ämtern) wehrten sich die Bauern 1786 dagegen, dass jedem Tauner ein 3/4 Jucharten grosses Allmendstück zur Nutzung auf Lebzeit zugeteilt wurde. Zu den Taunern wurden hier diejenigen gerechnet, die keine oder höchstens eine Kuh besassen. Mehr als drei Viertel aller Haushalte des Dorfes (50 von 70) gehörten dazu. Die Unterstützung solcher Allmendzuteilungen musste der Obrigkeit insofern leicht fallen, als sie zu einer intensiveren Nutzung und damit zur Erhöhung der Feudaleinkünfte führten. Erstens wuchs der Zehnt an, zweitens konnte der Rat aufgrund des Obereigentumsrechts vom eingeschlagenen Allmendland einen Bodenzins verlangen. Bei der Einhegung der Zelgen zeichnete sich hingegen eine Benachteiligung der Armen ab. In Emmen und Dietwil wurden deren Trattrechte entschädigungslos aufgehoben, weil sie nicht urkundlich belegt werden konnten. Der Weidegang wurde in diesen Fällen nicht als Recht der ganzen Dorfgenossenschaft, sondern nur der an den Zelgen beteiligten Grundbesitzer gesehen. Die Obrigkeit orientierte sich hier bereits an der modernen Eigentumsvorstellung der uneingeschränkten Verfügungsgewalt, was sie aber, wie erwähnt, nicht daran hinderte, die Landnutzung weiterhin zu kontrollieren.
Zusammenfassend lässt sich festhalten: In beiden Einhegungsbewegungen waren die ländlichen Untertanen die treibenden Kräfte. Die Grundbesitzer standen hinter den Zelgeneinschlägen, die Besitzarmen und Besitzlosen drangen auf die Individualisierung von Allmendland. Beide Bewegungen führten dazu, dass die Wechselwirtschaft auf Kosten des Dreizelgenbaus vorrückte. Während um 1600 die Bewässerung wohl die herausragendste Verbesserung war, konnte diese in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, obwohl immer noch sehr geschätzt, nicht mehr stark ausgedehnt werden. Entscheidende Neuerung dieser Epoche war die systematische Erweiterung der Fruchtfolgen in der Ackerflur. Zuerst verbreitete sich die Kartoffel, ganz am Ende des Ancien Régime setzte der Anbau kleeartiger Futterpflanzen ein.
Die Ausgangslage zumindest für die Zelgeneinhegungen war in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts eigentlich ungünstiger als anderthalb, zwei Jahrhunderte zuvor. Die Zehntherren hatten tatsächlich Grund, die Abnahme des Getreidebaus zu fürchten, weil die "Gemüsepflanzerei" für die Unterschicht immer mehr zur Alternative zum Brotgetreidebau wurde und die Preisentwicklung die Hinwendung der grösseren Betriebe zur Vieh- und Milchwirtschaft begünstigte. Wenn der Rat trotzdem Einhegungen in der Ackerflur bewilligte, so ist das der agrarischen Reformbewegung zu verdanken, die auch in Luzern der Einsicht zum Durchbruch verhalf, dass die Individualisierung des Landes die wichtigste Voraussetzung für den agrarischen Fortschritt war. Zu einer aktiven Einhegungsförderung konnten sich die Gnädigen Herren allerdings nicht durchringen. Um 1600 hatte es keine mit einem Gelehrtendiskurs verbundene landwirtschaftliche Reformbewegung gegeben; dazu fehlten die sozialen Voraussetzungen. Weil damals auch keine Schriften zu den Neuerungen im Agrarsektor verfasst wurden, konnte am Ende des Ancien Régime nur in Einzelfällen auf die Erfahrungen dieser Zeit zurückgegriffen werden.
äuerlichen Emanzipationsprozesses waren. Der Fürsprech von Neudorf hatte an einer Gemeindeversammlung im November 1770 die Anwesenden aufgefordert, freimütig zu erklären, ob sie für oder gegen das Einfrieden des Landes seien. Er fügte hinzu: "Und es wäre ja harth, wan sie über ihr land nit mehr meister wären." Für diese aufmüpfige Bemerkung wurde er mit 20 Talern gebüsst. Meister über das Land sein - das bedeutet hier, sich in der Nutzung nicht mehr von Obrigkeit und Zehntbesitzern einschränken zu lassen. Der Zehntherr dieser Gegend, das Stift Beromünster, sträubte sich zu Beginn der 1770er Jahre noch hartnäckig gegen Einzäunungen; gut zwanzig Jahre später setzte er sich engagiert für die Aufhebung des Weidegangs auf den Zelgen im gleichen Dorf ein. Einen vergleichbaren Wandel vom Einhegungsgegner zum Einhegungsbefürworter hatte dasselbe Stift schon einmal vollzogen, in den achtziger und neunziger Jahren des 16. Jahrhunderts.
10. Zusammenfassung und Schlussbemerkung
Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit war die Annahme, dass die Entwicklung des frühneuzeitlichen Agrarsektors in der Schweiz dynamischer war als bisher angenommen. Gestützt wurde die Hypothese von den Ergebnissen der Bevölkerungsgeschichte, welche zeigt, dass sich die Einwohnerzahl des Mittellandes, der Hauptregion des Landes, zwischen 1500 und 1700 knapp verdreifacht hat (Mattmüller). Auch konnten aus der bestehenden Literatur einige Hinweise auf modernisierende Entwicklungen in diesem Teil der Schweiz gewonnen werden, die eindeutig in die Zeit vor der Agrarreformbewegung des ausgehenden 18. Jahrhunderts fielen.
Nachgewiesen wurde der agrarische Wandel anhand der Einhegungen, eines Phänomens, das primär aus der englischen Agrargeschichte bekannt ist. Einhegen (in der Deutschschweiz "einschlagen" genannt) bedeutet, Land zu individualisieren. Entweder wurde Gemeinland in einzelbetrieblichen Besitz übergeführt oder Individualland (Zelgenäcker und Wiesen) von kollektiven Mitnutzungsrechten befreit. Gewöhnlich führte die Einhegung zur Umnutzung, bei Ödländereien zur Neunutzung des Landes. Die Nutzungsänderung im Bereich der Zelgen konnte zur Extensivierung ebenso wie zur Intensivierung der Landwirtschaft führen oder bezüglich Intensität auch neutral sein. Die Entwicklungsrichtung hing von der säkularen Wechsellage der Landwirtschaft, aber auch von regionalen Sonderentwicklungen ab.
In unserem Untersuchungsgebiet, dem Territorium des katholischen Stadtstaates Luzern, konnte eine Welle von Zelgeneinhegungen festgestellt werden, die nach der Mitte des 16. Jahrhunderts einsetzte und im Vierteljahrhundert zwischen 1583 und 1608 ihre intensive Phase hatte. Viel Zelgenland eingezäunt wurde im nördlichen Seetal und der näheren Umgebung, im Gebiet um den Sempachersee sowie im Amt Willisau, hier ganz besonders im Wiggertal. Auch das Suhrental wurde von der Einhegungsbewegung erfasst, allerdings weniger stark. Die Zelgeneinfriedungen waren eine Voraussetzung dafür, dass es sich lohnte, den Boden zu verbessern, da die Bewirtschafter das Land nach dem Einschlag ohne Flurzwang nutzen konnte. Weil an den hier untersuchten Einhegungen ganze Gruppen von Grundbesitzern beteiligt waren, liessen sich auch Flurbereinigungen durchführen (Zusammenlegung und Begradigung von Grundstücken). Anstelle des Dreizelgenbaus setzte sich in den meisten Fällen eine Wechsel- oder Feldgraswirtschaft durch, bei der sich Naturgras und Getreide abwechselten. Die Wechselwirtschaft erforderte weniger Pflugarbeit (einmal pro Getreideernte statt zweimal oder mehr im Dreizelgensystem), gewährte besseren Schutz vor Bodenerosion in Hanglage und liess die Flächenerträge ansteigen. Die gewonnenen Arbeits- und Düngerressourcen ermöglichten die Ausdehnung des Baulands im individuellen Grünland und auf der Allmende.
Verknüpft mit der Zelgeneinhegungswelle im ausgehenden "langen" 16. Jahrhundert war die Verbreitung der Bewässerung. Im Mittelland diente diese bereits im Mittelalter praktizierte Technik hauptsächlich dazu, das Land fruchtbar zu machen (mit den im Wasser enthaltenen Dungteilen aus Siedlung und Landwirtschaft sowie den mineralischen Stoffen). Weitere positive Wirkungen waren die Bodenerwärmung, das Anfeuchten bei Trockenheit im Sommer und die Schädlingsbekämpfung. Bewässert wurde nur das Grünland. Angesichts des chronischen Düngermangels war es ein grosser Vorteil, wenn der mit der Futterproduktion der Wässerwiesen gewonnene Dünger fast ausschliesslich in Äckern, Gärten und Bünten eingesetzt werden konnte und nicht den Wiesen zurückgegeben werden musste. Im mittleren Wiggertal erfolgte die Ausdehnung des Wässerlandes durch Einhegung von Zelgenäckern, in einem Fall auch von Allmende. Die bewässerten Flächen wurden wechselwirtschaftlich genutzt. Die für das 18. Jahrhundert überlieferten Fruchtfolgen weisen auf eine getreideintensive Bewirtschaftung hin: Am verbreitetsten war der achtjährige Umlauf mit vier bewässerten Naturgras- und vier trockenen Getreidejahren. Die Brotgetreideernten (Dinkel) waren mit etwa 23 Dezitonnen pro Hektare eindeutig über dem, was im Luzernbiet als guter Ackerertrag galt (rund 19 dt/ha).
Welcher Anteil der verzelgten Ackerflur durch die Einhegungen aus dem Flurzwang herausgelöst wurde, liess sich angesichts der bruchstückhaften Quellenlage nur für einige Dörfer abklären. Fest steht, dass es sehr grosse Unterschiede gab. Einige Dörfer schlugen im späten 16. Jahrhundert oder ganz am Anfang des 17. Jahrhunderts etwa ein Viertel bis ein Drittel der Zelgenfläche mit einer einzigen Bewilligung ein (nördliches Seetal, aber auch Dagmersellen). Andere hegten so viel Land ein, dass nur noch kleine Zelgen übrigblieben, die dafür intensiv genutzt werden konnten (unterste Dörfer des luzernischen Wiggertals). Dörfer in der späteren Feldgraswirtschaftszone in der Kantonsmitte lösten die Zelgenwirtschaften teils vollständig auf, teils nutzten sie kleinere Zelgenareale bis ins 18. Jahrhundert. Von den Dörfern des Wynentals sind hingegen kaum grossen Zelgeneinfriedungen überliefert.
Die Zelgeneinhegungen um 1600 hatten keine grundsätzliche Änderung der Produktionsrichtung zur Folge. Zwar wurde die viehwirtschaftliche Komponente gestärkt, aber das gereichte dem Getreidebau, der beherrschender Zweig der Agrarwirtschaft blieb, nur zum Vorteil. Die Halmfrüchte wurden nun auch im Dorfgebiet vermehrt auf dem Wechselgrünland angebaut. Dass dies kein Ausscheiden aus dem mittelländischen "Kornland" bedeutete, zeigt das Beispiel der Wiggertaler Gemeinden Langnau, Reiden und Wikon, die sehr viel Zelgenland eingehegt hatten. Sie konnten die Getreideproduktion im Zeitraum 1574-1627 fast verdoppeln. Die jährliche Wachstumsrate des Grosszehnten betrug 1.2% und war wesentlich höher als die der Pfarrei Willisau im Napfbergland (0.45%) und der staatlichen Zehntherrschaften (0.4% in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts). Dies zeigt, dass die Bewässerung gekoppelt mit Wechselwirtschaft eine mittelfristig erfolgreiche Strategie war, um selbst in der klimatischen Ungunstphase (1566-1629) das Getreideaufkommen, wohl entgegen dem gesamtmittelländischen Trend, steigern zu können. Die hohen Bodenpreise bestätigen die Vorzugsstellung des Wässerlandes. Ein Zelgenacker, der in eine bewässerte Wechselwiese umgewandelt wurde, stieg auf ein Mehrfaches seines Ausgangswertes an.
Die Allmendeinhegungen wurden weniger systematisch untersucht als die Zelgeneinschläge. Sie stellen ja in einem gewissen Sinn eine gewöhnliche Erscheinung dar, die in Zeiten des anhaltenden Bevölkerungswachstums zwangsläufig auftritt. Allmendland einhegen bedeutet vorerst nichts anderes, als neues Kulturland zu gewinnen. Quellenmässig ist dieser Vorgang schlecht beleuchtet. In den ersten zwei Dritteln des 16. Jahrhunderts dürfte hauptsächlich Wald gerodet worden sein. Zu Konflikten mit dem Luzerner Rat kam es, wenn obrigkeitlicher Hochwald gereutet wurde. Im späten 16. Jahrhundert wurden vermehrt kleinere Feuchtgebiete (Möser) melioriert und Neuland entlang der Fliessgewässer erschlossen. In dieser Zeit wurden auf dem Gemeinland nur noch vereinzelt grosse Bauernhöfe angelegt, statt dessen ergänzten die bestehenden Betriebe des Dorfes ihre Flächen durch Allmendgrundstücke. Es wurden aber auch besitzlosen Taglöhnern Kleinstellen zugewiesen, wobei eigentliche Taunerdörfchen entstehen konnten (im Wiggertal, etwas später auch in Knutwil im Suhrental). Anhand der Allmende von Reiden liess sich die Allmendsondernutzung beschreiben. Die 300 zumeist kleinen Parzellen mit einer Gesamtfläche von rund 400 Jucharten waren zwischen den Bewohnern des wohl in die 1580er Jahren zurückreichenden Allmenddorfes Reidermoos und dem Hauptdorf Reiden geteilt (Zustand 1739). Das Land galt als eingeschlagene Allmende, ein Individualbesitz, der insofern eingeschränkt war, als die Gemeinde beim Aussterben der männlichen Linie den Heimfall beanspruchte. Auch das offene (also nicht eingehegte) Allmendland war an vielen Orten mehr als eine Dauerweide. Dies konnte im Abschnitt über den Allmendackerbau (4.3.) gezeigt werden, wobei die extensive Wechselwirtschaft, die in den sog. Rütenen oder Neubrüchen betrieben wurde, im Mittelpunkt stand. Die dorfferne Aussenfelderwirtschaft wird zwar oft erwähnt; es ist aber nur wenig Konkretes über sie bekannt. Der zeitlich beschränkte Getreidebau hatte die Vorteile, dass er ohne Hofdünger auskam und die Weidequalität der Allmende verbesserte, weil die Äcker rotierten und so das Land periodisch von Buschwerk säuberten. In Roggliswil hatte sich der Allmendackerbau zu einer genossenschaftlich geregelten Wechselwirtschaft entwickelt. Ein rund 500 Jucharten grosser Komplex war in neun Schläge eingeteilt, von denen jeweils drei Roggen, Hafer und Brachfrüchte trugen und sechs zur Weide niederlagen (1759). Diese wenig ertragreiche und von den Armen mit Haue und Schaufel betriebene Aussenfelderwirtschaft stellt sicher kein modernisierendes Element der Landwirtschaft dar; bezeichnenderweise beantragten die Ärmeren 1771 deren teilweise Ersetzung durch Dauereinhegungen. Sie ist aber ein interessantes Beispiel dafür, dass es auch nichtzelgengebundene Formen des kollektiv organisierten Getreidebaus gab.
Das gescheiterte Besiedlungsprojekt des Entlebucher Hochwalds 1588/96 bestätigt, dass in einem Gebiet mit starken bäuerlichen Gemeinden die Anlage von Vollbauernstellen in der Allmende auf Widerstand stiess. Die bestehenden bäuerlichen Betriebe hatten begreiflicherweise kein Interesse an neuen, mächtigen Konkurrenten, die ihnen nicht nur die Allmende verkleinert, sondern auch noch die Nutzung des übriggebliebenen Kollektivlands streitig gemacht hätten. Geplant hatte der Luzerner Rat 400 grosse Viehwirtschaftsbetriebe, die in zwei neuen Kirchspielen zusammengefasst worden wären, ein kühnes Vorhaben, das punkto Grösse alle andern Einhegungsprojekte in den Schatten gestellt hätte. Die für unsere Fragestellung wichtigste Erkenntnis aus dem Hochwaldhandel ist eine politische: Die aristokratische Führungsschicht dieser Zeit war initiativ und verfolgte eine zielstrebige Politik der Ressourcenvermehrung, wobei letztlich die Vergrösserung der Mannschaftsbestände das Hauptziel war. Im agrarischen Bereich hatte aber eine von oben gesteuerte Ausweitung der Ressourcen, die den Interessen der Untertanen (vor allem der lokalen Eliten) zuwiderlief, keine Chance.
Auch die Waldteilungen waren eine Form der Allmendindividualisierung, allerdings dienten sie nicht zur Kulturlanderschliessung, sondern zur Sicherung der Waldbestände. Gewöhnlich wurde nur der Holzhau privatisiert, die Waldweide blieb bestehen, weshalb die zugeteilten Parzellen nicht umzäunt werden durften. Die Waldteilungswelle ging den Zelgeneinhegungen etwas voraus, sie erreichte den Höhepunkt bereits in den 1570er Jahren. Erfasst wurden vorwiegend Einzelhof- und Kleinsiedlungsgebiete. Besonders viel Wald teilten die Untertanen der Landvogtei Rothenburg auf, in deren Aufstand von 1570 die Waldnutzungsfrage eine wichtige Rolle gespielt hatte. Die Privatisierung des Holzhaus war eine Reaktion auf die Übernutzung infolge der stark angewachsenen Bevölkerung. Sie trug aber auch zur Abschliessung des Kreises der Nutzungsberechtigten bei.
Im zweiten Hauptteil der Arbeit wurden nach den hauptsächlichen Triebkräften und dem politischsozialen Rahmen der Einhegungsbewegung am Ende des langen 16. Jahrhunderts gefragt. Das starke Bevölkerungswachstum wohl vor allem in den ersten zwei Dritteln des Jahrhunderts zwang die bäuerlichen Familienwirtschaften zu einer intensiveren Ressourcennutzung. Boserups Theorie, dass die angewachsene Menschenzahl auch eine Chance bot, die Landwirtschaft mittels Gemeinschaftsprojekten zu verbessern, scheint auf die Luzerner Situation zuzutreffen. Allmendmeliorationen und Bewässerungsvorhaben liessen sich besser durchführen, wenn die Lasten auf eine grössere Personenzahl verteilt werden konnten. Die klimatische Verschlechterung dürfte den Druck erhöht haben, zu Bewirtschaftungsweisen überzugehen, die auch den kühlfeuchteren Verhältnissen besser angepasst waren: Wechselnde Gras-/Ackernutzung reduzierte die ab einer gewissen Niederschlagsmenge sehr starke Verunkrautung; die Bodenerwärmung durch Bewässerung mag ein Mittel gegen die Verkürzung der Vegetationsperioden gewesen sein. Mit dem demographischen Wachstum und der Häufung der Subsistenzkrisen war wohl die Zunahme der Verschuldung verbunden (Erbauszahlungen, Geldaufnahme in Notzeiten). Sie erzwang eine stärkere Marktintegration der Betriebe, ohne dass das primäre Produktionsziel der Selbstversorgung aufgegeben worden wäre. Die Einhegungen vergrösserten die Futterbasis und erlaubten es, die Viehwirtschaft zum marktorientierten Standbein auszubauen und gleichzeitig Getreidebau für den Eigenbedarf und die Forderungen der Zehnt- und Grundzinsherren zu betreiben. Gebietsweise war das luzernische Mittelland am Ochsenexport nach Italien beteiligt (nach Cysat war es die Gegend entlang der Gotthardroute zwischen Sursee und Zofingen, also auch das bewässerungsreiche mittlere Wiggertal). Kleinere Bauern beschafften sich das Bargeld für den Schuldendienst, indem sie alljährlich ein, zwei Stück Jungvieh verkauften.
Die wichtigste politische Kraft im frühneuzeitlichen Luzern war der städtische Rat. Im 15. Jahrhundert bekämpfte er die Zelgeneinhegungen im Untertanengebiet, weil sie in der Regel mit einem Rückgang der Getreideproduktion verbunden waren. Es war damals mehr Kulturland vorhanden, als bewirtschaftet werden konnte. Interessant ist, dass der Umschwung von der krisenhaften Situation des Getreidebaus zur agrarischen Expansion die obrigkeitliche Einhegungspolitik nicht änderte. Obwohl im ackerhungrigen 16. Jahrhundert keine Dezerealisierung mehr zu befürchten war, wurden Einhegungen in Ackerflur und Allmende noch lange bekämpft. Die Obrigkeit glaubte wohl, dadurch die stürmische Entwicklung abbremsen zu können. Nach der Jahrhundertmitte, endgültig in den 1570er Jahren, fand die Wende zur liberalen und fördernden Einhegungspolitik statt. Die Gnädigen Herren gelangten zur Einsicht, dass die Zulassung der bäuerlichen Einfriedungen bessere Lenkungsmöglichkeiten bot als die kaum wirksame Unterdrückung. Illegale Einhegungen waren oft für die Unterschicht besonders nachteilig. Der Rat musste auch erkannt haben, dass die Zelgeneinhegungen tatsächlich, wie die Bauern behaupteten, die Zehnterträge nicht schrumpfen, sondern ansteigen liessen. Im Mittelland gab es damals noch keine Alternative zur Getreidenahrung (Brot und Brei), die Kartoffel kam erst im 18. Jahrhundert auf. Auch der starke Anstieg der Getreidepreise gerade in den letzten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts übte keine Anreize zur Vernachlässigung des Ackerbaus aus. Die Möglichkeit, zu neuen Einnahmen zu gelangen, war für die Obrigkeit ebenfalls ein Ansporn zur Förderung der Einhegungen (einmalige Bewilligungsgebühr, zusätzlicher Bodenzins für das Wässerland).
Am direktesten von den Einhegungen waren die im Kanton Luzern vorwiegend kirchlichen Zehntherren betroffen, weil ihre Einkünfte anteilmässig an den Erträgen festgelegt waren. Einige Zehntherren lehnten die Einhegung von Zelgenäckern ab, weil sie die Abnahme des Getreidezehnten, der mit Abstand wichtigsten Feudaleinkunft, befürchteten. Im nachhinein wissen wir, dass sich ihre Befürchtungen um 1600 nicht bewahrheitet haben. Trotzdem waren die Bedenken nicht unbegründet. Mit den Einhegungen entfiel der herrschaftlichgenossenschaftlich garantierte Anbauzwang, da die Bauern das Land nach eigenem Gutdünken bewirtschaften konnten. Unter dem Gesichtspunkt der langfristigen Einkünftesicherung barg die Freigabe der Landnutzung für Klöster und Stifte tatsächlich ein Risiko in sich, selbst wenn die Bauern, welche die Einhegungen errichten wollten, eine Ertragssteigerung in Aussicht stellten.
Im ausgehenden 16. Jahrhundert war die Konstellation der politischen Faktoren günstig. Die städtische Obrigkeit verfolgte in Verwaltung, Militär, Armenwesen und Wirtschaft eine energische Reformpolitik. Klöster und Stifte befanden sich immer noch in einer Konsolidierungs- und Umstrukturierungsphase, die massgeblich vom Luzerner Rat mitgestaltet wurde. Es erstaunt nicht, dass sie sich in der Einhegungsfrage nicht gegenüber der weltlichen Obrigkeit behaupten konnten. In der Zeit des Dreissigjährigen Krieges änderte sich das. Die Katholische Reform hatte die Gotteshäuser wieder erstarken lassen, so dass sie ihre Rechte nun selbstbewusst verteidigten. Als in den 1620er Jahren dem Kloster Muri zehntpflichtige Bauern einhegen wollten, blockte dies die Abtei ab. Anders als zwei Jahrzehnte zuvor war der Rat nicht mehr bereit, die Interessen der Bauern gegen die Zehntherren durchzusetzen. In der komplexen Beziehung zu den geistlichen Einrichtungen, die zu wichtigen Versorgungsstätten der nachgeborenen Söhne und Töchter des städtischen Patriziats geworden waren, konzentrierte sich die Obrigkeit auf die eigenen Interessen. Dazu kommt, dass sich in den Jahrzehnten vor dem Bauernkrieg von 1653 die aristokratische Herrschaft gegenüber den Bauern verhärtete: Der landesherrliche Patriarchalismus der Reformzeit um 1600 wich immer mehr einem autoritären Herr-Untertanenverhältnis. Die eben in diesem Krieg erhobene Forderung nach Einhegungsmöglichkeit zeigt, dass in der Landbevölkerung noch Interesse bestand, Kulturland einschlagen zu können.
Obwohl im luzernischen Dorfgebiet die Freiteilbarkeit (mit Privilegierung der Söhne) vorherrschte und die Güter stark zerstückelt wurden, bestand eine ausgeprägte soziale Ungleichheit. Die ungleiche Ausstattung mit Land, Vieh und Arbeitsgeräten führte zu unterschiedlichen Interessen in der Nutzung der kollektiven Ressourcen; die Konflikte, die deswegen entstanden, wirkten schichtenbildend. Die Zelgeneinhegungen schmälerten die gemeine Brach- und Stoppelweide und erhöhten den Druck auf die Allmendweide (vor allem wenn die Bauern das eingeschlagene Land in den Grasjahren nicht als Weide, sondern als Mähwiese nutzten, um so mehr Vieh wintern zu können). Dies war für die Taglöhner nachteilig. Für den Verlust der Brachweide wurden sie gewöhnlich entschädigt, meistens mit kleinen Allmendgrundstücken. Der Rat drang darauf, dass die Tauner nicht übergangen wurden. Auch sie waren ja als Soldaten und Bezahler haushaltsbezogener Steuern nützliche Glieder der frühmodernen Untertanengesellschaft. Die häufigen Konflikte zwischen den dörflichen Sozialgruppen dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass damals die Vollbauern durchaus Interesse hatten, die Taglöhner ans Dorf zu binden, um für die saisonalen Arbeitsspitzen Hilfskräfte zur Hand zu haben. Das war der Grund, weswegen um 1600 noch verhältnismässig grosszügig Kleinstellen auf der Allmende zugeteilt wurden.
Zum Schluss seien einige wichtige Ergebnisse der Arbeit zusammengefasst, die eine weitergehende Diskussion verdienen:
Für die regionale Geschichte von Bedeutung ist, dass mit der Einhegungsbewegung die agrarhistorische Seite der intensiven Reformphase um 1600 erfasst werden konnte. An der Einhegungsthematik selber lässt sich aber auch die Janusköpfigkeit dieses Zeitalters ablesen: Einerseits gingen von ihm viele modernisierende Impulse aus, so dass es auch in Luzern Züge einer "Vorsattelzeit" (Schilling) trug, anderseits wurden damals aber auch Strukturen gefestigt, die langfristig modernisierungshemmend wirkten. Dazu gehörte sicher die Wiederherstellung und der Ausbau der kirchlichen Institutionen im Zuge der katholischen Konfessionalisierung. Bezüglich Einhegungen: Einerseits förderte der Rat die Zelgeneinfriedungen überzeugt und engagiert, anderseits trug er mit der Konsolidierung der kirchlichen Zehntherrschaften und der Festigung des Zehntrechts dazu bei, dass die Einhegungen in der nachfolgenden Zeit von Klöstern und Stiften wieder bekämpft werden konnten (dies auch noch in den 1770er Jahren!).
Die besondere politische Situation, die in Luzern um 1600 die Einhegungswelle ermöglichte, darf nicht zur Idee verleiten, dass es sich um einen regionalen Sonderfall gehandelt hätte, der am Gesamtbild der agrarischen Entwicklung in der Schweiz kaum Wesentliches ändere. Die Verbreitung der Bewässerung in vielen Teilen des zentralen Mittellandes, die vom Heutelia-Autor nach 1650 beobachtete Einhegungstätigkeit nicht nur im luzernischen Gebiet, die Verhältnisse in den luzernnahen Gemeinden (aargauisches Wiggertal) zeigen, dass agrarische Verbesserungen auch ausserhalb unseres Untersuchungsgebiets bereits vor dem 18. Jahrhundert Fuss gefasst hatten. Ob sie zur gleichen Zeit wie in Luzern auftraten und welche Faktorenkonstellationen sie ermöglichten, wäre Gegenstand eigener Untersuchungen. Schon allein die Tatsache, dass in der grossen Nachbarrepublik Bern die kirchlichen Zehnten im Zuge der Reformation verstaatlicht worden waren, lässt auf erhebliche Differenzen des politischen Umfeldes schliessen.
Für die Agrargeschichte dürfte von Interesse sein, dass sich anhand der Luzerner Quellen nachweisen liess, dass bäuerliche Familienwirtschaften und ländliche Gemeinden nicht grundsätzlich traditionsverhaftet waren, sondern selber agrarische Neuerungen einführten, wenn es die Situation erforderte. Die Anstösse brauchten nicht von aussen zu kommen. Auch subsistenzorientierte Produzenten mussten die Wirtschaftsweise ändern, wenn Bevölkerungsdruck, klimatische Verschlechterung und Verschuldung zur effizienteren Nutzung der Ressourcen zwangen. Nicht um möglichst hohe Gewinne am Markt zu erzielen, sondern um die Selbstversorgung sicherzustellen und Feudalabgaben und Schuldzinsen entrichten zu können, schlugen die Bauern Land ein. Wenn hier bestritten wird, dass die Bauern aus einer beinahe religiös überhöhten Ehrfurcht am Althergebrachten festhielten, so soll keineswegs ein neues Klischee mit umgekehrten Vorzeichen aufgestellt werden, nämlich, dass die Bauern innovativ im Sinne einer angeborenen Experimentierfreudigkeit gewesen wären. Nicht Freude am Neuen, sondern Knappheit und Mangel dürften zur Einführung agrarischer Innovationen gedrängt haben. Deren Akzeptanz hing davon ab, ob sie als vorteilhaft oder als nachteilig eingeschätzt wurden. Aufgrund der sozialen Ungleichheit und den daraus resultierenden Interessengegensätzen konnten die Meinungen im Dorf dazu auseinandergehen (was vor allem bei den Allmendaufteilungen im 18. Jahrhundert gut ersichtlich ist).
Was die sozialgeschichtliche Seite betrifft, so sind die Einhegungen in der Luzerner Landschaft weniger mit England als mit der Vereinödung im Allgäu verwandt. Auch dort gab es eine bäuerliche Landindividualisierungsbewegung, die ebenfalls im 16. Jahrhundert einsetzte, aber erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts den Höhepunkt erreichte. Sie ging vom Territorium der Reichsabtei Kempten aus und erfasste allmählich auch die angrenzenden Gebiete. Die Auflösung des Flurzwangs war wie in Luzern um 1600 nicht mit einem Rückgang des Getreidebaus verbunden. Nicht die Umstellung der Produktion, sondern deren rationellere Gestaltung stand im Vordergrund. Weil Kleinsiedlungen im Vereinödungsgebiet vorherrschten, war auch der Ausbau der Wohn- und Ökonomiegebäude auf das arrondierte Land möglich. Eine solche Auflockerung der Siedlungsstruktur kam im luzernischen Dorfgebiet nicht vor.
In unserem Untersuchungsgebiet liess sich ein beträchtliches Wachstum der Landwirtschaft feststellen. In den anderthalb Jahrhunderten zwischen 1529 und 1682 ist der Getreidezehnt der Kommende Reiden auf das 3.5fache gestiegen, derjenige der Pfarrei Willisau zwischen 1509 und 1645 auf das 2.8fache. Körner hat die jährliche Wachstumsrate der staatlichen Zehntherrschaften von der Mitte des 16. zur Mitte des 17. Jahrhunderts auf 0.6% berechnet. Ebenfalls um 0.6% lagen die jährlichen Wachstumsraten der Bevölkerung des Luzernbiets in den ersten beiden Frühneuzeit-Jahrhunderten. Man darf daraus schliessen, dass sich das Getreideaufkommen und die Einwohnerzahl etwa im Gleichschritt entwickelten. Die luzernische Landwirtschaft war im 16. und im 17. Jahrhundert expansionsfähig. Die Art dieses agrarischen Wachstums liesse sich am ehesten als "extensives Wirtschaftswachstum" charakterisieren. Obwohl sich die Produktivität durch einzelne Massnahmen anheben liess, gab es kein langfristiges Produktivitätswachstum.
"Herausforderungen", die solche Krisen darstellten, gab es auch schon in der Frühneuzeit erfolgreiche "Antworten" (im Sinne von A. J. Toynbee). Nach solchen sollte vermehrt Ausschau gehalten werden, obwohl in den aufs Spektakuläre ausgerichteten Chroniken der Zeit kaum etwas dazu zu finden ist. War es nicht eine auch wirtschaftsgeschichtlich bemerkenswerte Leistung, wenn bäuerliche Gemeinden mit der Errichtung von Bewässerungsanlagen den Wert des eingehegten Landes in wenigen Jahren auf das Vier- bis Fünffache steigern konnten, wie das in Dagmersellen in der klimatisch ungünstigen Zeit zu Beginn es 17. Jahrhunderts geschehen war?