Andrea Willimann

Sursee - die zweite Kapitale des Kantons Luzern.

Zur politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Geschichte der Luzerner Landstadt in den Jahren 1798 bis 1871

Luzerner Historische Veröffentlichungen Band 41

2006, 472 Seiten mit 56 teils farbigen Abbildungen.

Fr. 58.- / € 40.50,

ISBN 3-7965-2156-8

Sursee - die zweite Kapitale des Kantons Luzern.

Sursee behauptete unter Luzerner Landesherrschaft bis 1798 die herausragende Stellung als eine Art souveräne Republik mit eigener Gerichtsbarkeit über Leben und Tod. Auch im 19. Jahrhundert fiel die bevölkerungsmässig kleine Landstadt durch ihren grossen politischen Einfluss auf sowie durch ihre zentralörtliche Bedeutung.
Die Studie «Sursee – Die zweite Kapitale des Kantons Luzern» analysiert die spezielle Stellung und Funktion der Surenstadt von 1798 bis 1871, also für den Zeitraum zwischen zwei wichtigen Zäsuren in der Luzerner Geschichte. Im Jahr 1798 brachte die helvetische Revolution das Ende des alten Stadtstaats, und erst 1871 stabilisierte sich das politische System des Kantons wieder in einer konservativen Mehrheitsregierung, die sich bis in die jüngste Zeit halten konnte.
Die Untersuchung gilt im Detail dem politischen Verhältnis zwischen Sursee, der Hauptstadt Luzern und der Landschaft. Sie zeigt auf, dass die Landstadt im 19. Jahrhundert noch weit häufiger als bislang angenommen eine zentrale Rolle bei den zahlreichen gesinnungs- und verfassungspolitischen Umbrüchen des Kantons spielte.
«Gleichzeitig ist Sursee – Die zweite Kapitale des Kantons Luzerns» die bislang einmalige Milieustudie einer katholischen Kleinstadt in der Zentralschweiz. Die Autorin erfüllt damit ein langjähriges Forschungsdesiderat und legt in einer dichten Beschreibung die Rahmenbedingungen dar, unter denen Sursee seine spezielle politische und zentralörtliche Rolle spielen konnte. Auch der soziale und gesellschaftliche Wandel, der sich durch die schnellen und häufigen Veränderungen für die Einwohner der Landstadt im 19. Jahrhundert ergab, kommt dank der guten Überlieferungslage ausführlich zur Sprache. So weist die reich illustrierte Studie weit über ihren lokalen wie regionalen Rahmen hinaus und schliesst in der allgemeinen Schweizer Historiographie eine bedeutsame Lücke.

Aus dem Inhaltsverzeichnis:

Vorwort

1. Einleitung
1.1. Motiv und Thema
1.2. Forschungsstand und Grundsätze
1.3. Inhaltliches Konzept
1.4. Wichtige Begriffe: Landstadt, Kapitale, Öffentlichkeit, Volksbewegung und Parteien
1.5. Quellen sowie theoretische und methodische Grundlagen

2. Die alte Landstadt Sursee im ausgehenden 18. Jahrhundert
2.1 Die Stellung Sursees im alten Staat Luzern
2.1.1 Die landstädtischen Rechte und Privilegien
Die mittelalterliche Gründung der Surseer Rechtstradition 18 – Listiger Kampf um Kompetenzen 19 – Die Intensivierung der Kontrollen in der Frühen Neuzeit 22 – Rückschlag-Stadtbrand 24
2.1.2 Das Verhältnis zur Stadtobrigkeit Luzern
Die Sonderstellung Sursees gegenüber den anderen Landzentren 26 – Von der Autonomie profitieren beide Seiten 28
2.2 Das Leben in der Landstadt am Ende des Ancien Régime
2.2.1 Der Handel, das Zunfthandwerk und die Landwirtschaft
Der Marktplatz 32 – Das Zunfthandwerk 34 – Ausgeprägte Subsistenzwirtschaft auch innerhalb der Ummauerung 36
2.2.2 Die Einwohnerschaft: Demographische Struktur
Die Einwohnerschaft 1798 38 – Jugendliche Altersstruktur 39 – Migration aus und nach Sursee 41
2.2.3 Die soziale Schichtung: Erwerbs- und Vermögensstrukturen
Eine finanziell gut gepolsterte Gesellschaft 43 – Erwerbsstrukturen der Einwohnerschaft Ende des 18. Jahrhunderts 44 – Ungleich verteilter Landbesitz 46 – Die Vermögensverhältnisse der Surseer 47
2.2.4 Die landstädtische Elite: Herren und Bürger
Die Bürgerschaft als politische Keimzelle 49 – Abkömmlichkeit als Faktor für die politische Partizipation 52 – Der Kleinrat als Machtzentrum 53 – Die politische Einstellung der Funktionselite 55
2.3 Analyse und Ergebnis

3. Sursee zur Zeit der Helvetik, Mediation und Restauration (1798 bis 1830)
3.1 Die Landstadt und die neue grosse Politik. Das tiefe Ab und wieder Auf
3.1.1 Helvetik 1798 bis 1803: Die Jahre der schnellen Veränderungen
Die Ereignisse vom Januar 1798 62 – Kontinuität der Amtsgeschäfte 63 – Helvetische Verfassungswirren 64 – Die neue alte Stadtbehörde 65 – Mässiges Interesse an den neuen Freiheiten 67 – Die Neugestaltung des Gemeindewesens: Munizipalität und Gemeindekammer 68 – Zusammenarbeit mit den helvetischen Behörden 72 – Die Verfassungsrevisionen von 1801 und 1802 74
3.1.2 Die Mediationszeit: Rechte und Pflichten als Gemeinde
Die Renaissance der Bürgergemeinde 75 – Die Verwaltungsbehörde ersetzt den Stadtrat 76 – Ein eigenes Reglement für Sursee 77 – Der Anspruch auf Mitregierung 80
3.1.3 Die Restaurationszeit: Erwachen in Sursee
Die neue aristokratisch geprägte, aber nicht reaktionäre Kantonsverfassung 83 – Sursee erarbeitet sich erneut ein eigenes Verwaltungsmodell 85 – Das Organisations-Reglement vom 13. Juli 1814 88 – Die Kompetenzüberschreitungen nehmen ab 89
3.1.4 Liberale formieren sich in den 1820-er Jahren
Liberales Gegensteuer mit Surseer Beteiligung 93 – Erste Änderungen an der Restaurationsverfassung 94 – Die «Neu umschriebene Verfassung» von 1829 95 – «Der Eidgenosse» erobert Sursee 97
3.2 Der Lebens-Wandel in der Surenstadt
3.2.1 Freies Wirtschaften und Werken
Neue Zeiten im Handel und Gewerbe 100 – Die Landwirtschaft wird reformiert 102 – Ausbau der Dienstleistungen 104 – Die ersten Versuche der Industrialisierung 106 – Die wirtschaftliche Ausstrahlungskraft 109
3.2.2 Bürger und Bürgersfrauen: Die demographische Entwicklung
Helvetischer Babyboom und trotzdem starre Strukturen 111 – Das Bürgerrechtsgesetz: Zunächst gelockert, dann verschärft 112 – Die Restauration läutet Stagnation ein 114 – Sursee: Nur eine kleine Ortschaft im Kanton 116
3.2.3 Sozialer Wandel: Die Verschiebungen in den Erwerbs- und Vermögensstrukturen
Arm und reich nahe beieinander 117 – Die Erwerbs- und Besitzstrukturen 118 – Geschrumpfte Unterschicht 120 – Breite Mittelschicht 121 – Das Surseer Armenwesen 123
3.2.4 Die Gesellschaft im Umbruch: Die Entstehung der politischen Öffentlichkeit
Die Lesegesellschaft 127 – Der Ausbau des Schulwesens 129 – Die Sekundarschule: Eine Surseer Innovation im Kanton Luzern 131 – Weitere Vereine entstehen 134 – Was bewirkt das Vereinswesen? 137
3.3 Der Umgang mit den Verfassungsänderungen
Rechtsgleichheit kontra Privilegien 139
3.3.1 Widerstand nach Kräften in der Helvetik
Sursee 1798 bis 1803: Eine «Gemeinde, die am Rande ihres Untergangs steht» 140 – Die Vorteile des eingespielten Verwaltungsapparates 143 – Das bittere erste Lehrstück 144
3.3.2 Kampf um Kompetenzen in der Mediation
Bürgerrechtsgesetz: «Die grossen Vortheile, die jeder Bürger allhier zu geniessen hat» 146
3.3.3 Anpassung in der Restauration
Der Grenzkonflikt oder die Angst vor dem Präzedenzfall: «der bedeutenden Folgen wegen» 149
3.4 Sursees politische Funktion und Stellung 1798 bis 1830. Zwischenergebnis
1798: Nabelschnur getrennt 152 – Der politische Fall setzt sich in der Mediationszeit fort 154 – Wiedererstarken in der Restaurationszeit bis 1825 155 – Mobilisationsphase am Ende der Restauration 1825–1830 156

4. Die zweite Kapitale: Sursee im Fokus politischer Bewegungen zwischen 1830 bis 1871
4.1 Sursee – die politisch stets bewegte zweite Kapitale
4.1.1 Die Volksbewegung von 1830/31
Die Vorstellungsschrift taucht in Sursee auf 161 – Die breit abgestützte Volksbewegung entsteht 162 – Erste Surseer Volksversammlung 163 – Zweite Surseer Petition fordert Verfassungsrat 164 – Der Kampf um die Einheit der Bewegung 167 – Der Verfassungsrat übernimmt das Zepter 168 – Abstimmungskampf mit harten Bandagen 170 – Gewinner sind die Liberalen und Sursee 172
4.1.2 Die Regeneration oder das erste Dezennium liberaler Verfassung. 1831 bis 1841
Die umfassende Neuordnung des Gemeindewesens 174 – Kritik an kantonaler Reformtätigkeit 176 – Die liberalen Bestrebungen auf Bundesebene 177 – Die neuen Seiten und Saiten in der Kirchenpolitik 179 – Die konservative Bewegung profitiert von den Fehlern der Liberalen 181 – Welche Rolle spielt Sursee in den 1830-er Jahren? 182 – «Undienliches Verwaltungssystem» kommt in Verruf 185 – 1839: In Sursee kippt die Stimmung 188 – Gründe für den Gesinnungswandel 190
4.1.3 Sonderzeit – Sonderbund. 1841 bis 1847
4.1.3.1 Der konservative Umschwung 1841
Die 1841-er Verfassung bringt neue demokratische Elemente 194 – Politische Weichenstellung erlaubt Deblockierung 196 – Die konservative Politik setzt sich durch 199 – Liberale beginnen sich neu zu sammeln 201
4.1.3.2 Der Weg in die Krise und die Freischarenzüge
Brachiale Kirchenpolitik verschärft die Situation 202 – 1844: Die ersten Freischaren formieren sich 204 – Zahlreiche Surseer Teilnehmer 206 – Sursee erhält eine Schutzkolonne 209 – Der zweite «Streich» folgt sogleich 211 – Tiefe Spaltung der Gesellschaft hebt den Sonderbund aus der Taufe 216 – Sursee als Ort liberaler Opposition? 217
4.1.3.3 Ungemütliche Zeiten: Der Sonderbundskrieg und die unmittelbare Nachkriegszeit
Der Weg in den Bürgerkrieg 218– Sursee wird zur «Festung» ausgebaut 220 – Der Krieg: Kurz und bündig 222 – Liberale in Luzern wieder an der Macht 224 – Sursee wechselt erneut die politische Couleur 226 – Die Verfassung wird säkularisiert 227 – Ungemütliche Zeiten 230
4.1.4 Wundenlecken und Aufrappeln oder zwei weitere Dezennien liberaler Verfassung.1848 bis 1871
4.1.4.1 Harte Hand der Liberalen gegen die stigmatisierte Opposition
1850: Die Konservativen rehabilitieren sich in Sursee und im Kanton 235 – Das «Surseer Programm» von 1854: Der erste Versuch einer Verfassungsrevision 237 – Die Reihen der Konservativen verdichten sich weiter 239 – Sursee - «das eigentliche aktive Centrum der konservativen Partei» 240
4.1.4.2 «Demokratische Bewegung» weckt die alte politische Polarität
Wieder Volksversammlungen in Sursee 243 – Das Abstimmungsergebnis weckt die liberale Regierung 246 – 1863-er-Verfassung bringt weitgehende Kompromisse 247
4.1.4.3 Konservative drängen an die Macht
1868: Motion Schnyder/Zemp für eine Verfassungsrevision 253 – Der konservative Parteisitz wird definitiv nach Sursee verlegt 256 – Wie wirkt sich der politische Wandel auf die Landstadt aus? 257 – Das Verhältnis zwischen «Oppositionsnest» und liberaler Hauptstadt 259
4.1.4.4 Mai 1871: Sursee ist politische Schaltzentrale
Uneinigkeit im konservativen Lager spielt keine Rolle mehr 261 – «Der Geist von Sursee» setzt sich durch 262 – Ein Ausblick 263
4.2 Rot-schwarzer Alltag im landstädtischen Milieu
4.2.1 Neue Neigungen im Produzieren und Fabrizieren
4.2.1.1 Die Fabrikindustrialisierung setzt ein
Schlechte Bedingungen für Papiermühle und Seidenraupen 266 – Neue Impulse in den 1850-er Jahren 268 – Ein auswärtiger Industrieller gründet 1858 den ersten Fabrikbetrieb 270 – Aus eins mach drei: Die Zigarrenfabriken 273
4.2.1.2 Der allgemeine wirtschaftliche Wandel: Veränderungen in den Erwerbsstrukturen
Neuer Charakter der Landwirtschaft 275 – Wachsende Märkte und mehr überregionaler Handel 277 – Dienstleistungsort mit hoher Erreichbarkeit 279 – Wenig innovatives Handwerk und Gewerbe 281 – Zu den statistischen Veränderungen in den Erwerbsstrukturen 283
4.2.2 Vom Landstädtchen zur Landstadt: Der demographische Wandel
Natürliches Bevölkerungswachstum geht mit der Konjunktur einher 284 – Nach 1860 wirken mehrere Pullfaktoren 287 – Restriktiv angewandtes Bürgerrecht als Pushfaktor 288 – Die Geschlechter- und Konfessionsstrukturen bleiben unverändert 289
4.2.3 Sozialtopographie in Bewegung: Die Veränderungen in den Einkommens- und Vermögensstrukturen
Veränderung der Einkommensstrukturen 292 – Die Veränderung der Vermögensstrukturen 293 – Frauen in der Surseer Gesellschaft 295 – Das Armenwesen nach 1831 297 – Wenn der Bettel kostet 299
4.2.4 Die neue, jetzt parteipolitisch gespaltene Gesellschaft
Sursee als zweites Zeitungszentrum im Kanton 300 – Das Vereinswesen «in doppeltem G’schirr» 302 – Krieg und Frieden in der Lesegesellschaft 304 – Die alltägliche parteipolitische Trennung 306 – Und der Katholizismus? 308
4.2.5 Ein sozioökonomischer Ausblick auf die Jahre 1871 bis 1910
Entscheidende Standortfaktoren 312 – Grosse wirtschaftliche Anstrengungen in den 1880-er und 1890-er Jahren 313 – Der grosse Rückschlag zu Beginn des 20. Jahrhunderts 314 – Konzentration auf den Ausbau der Infrastrukturen 315
4.3 Gelebte Rivalität. Zum Handlungsspielraum und Verhalten Sursees im Rahmen der Verfassungs- und Gesetzesänderungen 1831 bis 1871
4.3.1 Zur Zäsur 1830/31: Das Kompetenzzentrum für politische Opposition
«Fortschrittlicher Geist» 318 – Sursee als «Ordnungszelle» 320 – Weshalb Sursee und nicht Sempach, Willisau oder Hochdorf? 321 – Sursee übernimmt erstmals eine politische Rolle 323
4.3.2 Zur Periode 1831 bis 1847: Die Einzelgängerin auf dem Land
Die gerichtliche Abspaltung des unteren Surentals 324 – Der Streit um die Zollentschädigung 326 – Auf der Jagd nach dem besten Vorteil 330
4.3.3 Zur Periode 1848 bis 1871: Die Landschaftsvertreterin im Kampf um politische Gleichstellung und zentralörtliche Einrichtungen
Auslöser für den Kampf um Gleichstellung und zentralörtliche Einrichtungen 331 – Das Telegrafenbüro: «In Folge der Zeit jetzt unberechenbaren Vortheil» 332 – Der Eisenbahnanschluss: «durch die vielen Strassen, die da einmünden» 335 – Das Marktwesen: «im gantzen Kanton kein Ort, welcher [...] den Vergleich mit Sursee aushält» 338 – Die Kasernenfrage: «Wie die Altvorderen für andere, dato noch bestehende Anstalten Opfer bringen» 341 – Das Schulwesen: «das wichtigste Barometer des sittlichen und ökonomischen Wohlstandes» 346 – Sursee öffnet sich gegenüber der Landschaft 352 – Der Verhaltenswandel und seine Abhängigkeiten 354

5. Sursee – Die Zweite Kapitale 1798 bis 1871
5.1 Politische Einordnung und Rolle, Milieu und Selbstverständnis der Landstadt Sursee: Gesamtanalyse
Gründe für die herausragende Stellung und das spezielle Selbstverständnis 357 – Politische Einordnung der Landstadt 362 – Ist Sursee im 19. Jahrhundert im Kanton Luzern wirklich so einmalig? 363
5.2 Schlusswort und kurzes zusammenfassendes Ergebnis

6. Anhang
A Personengalerie
B Tabellen
C Quellen
D Literatur
E Verzeichnis der Behördenmitglieder
F Surseer Gross-, Regierungs- und Nationalräte
G Statthalter des Amtes Sursee
H Verzeichnis der Tabellen, Karten, Grafiken und Abbildungen