Da ist zum einen die Grammatik, denn das in der Urkunde nur schwer entzifferbare Wort «monasterium» ist – und darin sind sich die Forscher einig – eben eindeutig ein «monasterium», somit ein Akkusativ, und die Luzerner Freiheit kommt wieder arg ins Wanken. Für die Forschergeneration um Philipp Anton von Segesser war zur Mitte des 19. Jahrhunderts denn auch klar: Die Lothar-Urkunde bestätigte die von Pippin «gemachte Schenkung des Lucernischen Klosters an Murbach». Klar war auch die Abhängigkeit der späteren Stadt Luzern vom Kloster. Dagegen hielten die Hypothesen der älteren Chronistik, «der Stadt [Luzern] von jenem Kloster unabhängigen Ursprung zu und selbständige Bedeutung schon in entfernter Vorzeit zu vindicieren», so Segesser, einer Quellenkritik nicht stand und müssten verworfen werden.
Hoffnung für die freiheitliche Interpretation kam in den 1880er-Jahre in Form einer neuen Lesart der Urkunde. Aufgeschreckt durch viele Fehler und willkürliche Fälschungen in Abschriften und Editionen der Urkunde, die sich erst durch die Überprüfung am wieder aufgetauchten Original feststellen liessen, glaubten verschiedene Forscher in der Originalurkunde selber Fehler entdeckt zu haben. Als sinnlos erschien vor allem die Passage «qualiter attavus noster Pipinus … et ipse … concessissent … monasterium luciaria vel monachis ibidem degentibus homines ingenuos quinque», wörtlich übersetzt: «Wie unser Urgrossvater Pippin … und er selbst [Ludwig] … das Kloster Luzern und den dort weilenden Mönchen fünf edle Männer übergeben habe». Mehr Sinn machte die Fallgleichheit bei der Konjunktion «und», «vel», und so schlug die Forschung anstelle des Akkusativ-monasteriums das Dativ-monasterio vor.
Ein Schritt in Richtung mehr oder wenigstens länger währende Freiheit, wäre da nicht der Murbacher Abt Sigimar, der bei Lothar um die Bestätigung der Pippin'schen Schenkung nachsuchte. Murbach und Luzern – das war bis zum Verkauf an Habsburg 1291 nachweislich ein obrigkeitliches Verhältnis mit Murbach in der herrschenden und Luzern in der Untertanenrolle. Dass Murbach bereits im 9. Jahrhundert im Zusammenhang mit dem Kloster Luzern auftauchte, konnte nur heissen, dass schon damals ein Abhängigkeitsverhältnis bestand, Dativ-monasterio hin oder her. Die Frage war bloss: War das Kloster wenigstens ursprünglich frei oder stand es von Anfang an, also bereits seit dem 8. Jahrhundert, unter murbachischer Herrschaft. Ja, war es vielleicht sogar eine murbachische Gründung?
Dieser Hypothese trat Hans Schnyder in den 1960er- und 1970er-Jahren mit viel Verve und Scharfsinn entgegen. Er vertrat mit vielen guten Argumenten die Ansicht, beim Kloster im Hof handle es sich um eine Gründung des Bayernherzogs Odilo um 740 n.Chr; und mindestens ebenso wichtig: Das Kloster Luzern war ursprünglich frei und blieb frei bis anfangs des 12. Jahrhunderts, als es die Abtei Murbach in wirtschaftlichen Notzeiten und möglicherweise unter Berufung auf die Lothar-Urkunde unter ihre Herrschaft brachte.
Seit den Forschungen Schnyder ist die Frage nach den Anfängen des Klosters Luzern nicht mehr besprochen worden. Es bleibt die Erkenntnis, dass die Frage ob «frei» oder «unterstellt» keine weitergehende Antwort finden wird, solange nicht wiederentdeckte «neue» Quellen mehr Licht auf den Sachverhalt werfen. Bis dahin können die besten Argumente als plausibelste Interpretation angenommen werden. Daraus die allein seligmachende historische Wahrheit abzuleiten, ginge aber zu weit.