Staatsarchiv

Nova Friburgo:
Brief von Franz Hunkeler an Regierungsrat Vinzenz Hegi in Luzern, 1820

Brief Franz Hunkeler
Das Original liegt im Staatsarchiv Luzern mit der Signatur: AKT 24/60.A.3
[Seite 1] […]
Rio Janeiro 20.5.1820
[…]
ich befinde mich sonst in Neufreiburg bei der Colonie 36 gute Stund von der Hauptstadt nördlich
[…]
[Seite 2] In Holland war ich wie Sie gewiss durch Herrn Hauptmann Theiler erfahren haben, sehr krank und zwar so dass ich an keine Rettung mehr dachte. Allein das Schiksal wollte dass ich noch leben musste und glüklich genas ich auf dem Meer.
Den 11ten Oktober 1819 fuhren wir 450 Köpf auf dem Schiffe der glücklichen Reise in Texel in Holland ab. Wir hatten immer guten Wind und würden gewiss in 7 Wochen in Rio Janeiro angekommen sein, wenn uns nicht auf dem Canarischen Meer nicht alle 3 Mastbäume abgebrochen wären.
Allein in 14 Tagen war alles beinahe wieder hergestellt und am 23ten December kamen wir in Rio Janeiro an. Sturm hatten wir niemals, und es ist auf dem Meer halb so gefährlich wie viele posaunen.
Von dem Luzerner Convoi starben auf dem Meer nicht mehr als 6 Personen jedoch nur Kinder, nemlich 3 dem Josef Huober, 1 dem X. Wermelinger, und 2 dem Haslimann, obschon wir sehr enge eingepackt wurden. Nichts ist auf dem Meer zu fürchten als bei einem solchen Transport von Menschen, so dass viele Ungeziefer, alles, niemand ausgenommen wird voll Läuse und Flöch. Sobald wir in Rio angekommen waren, wurden wir gleich am andern Morgen mit kleinen Fregatten fortgeführt bis 8 Stund zu Neufreiburg wo wir alles über Berg mussten. Als wir da ankamen fanden wir schon Häuser erbaut für einstweilige Bewohnung, bis andere errichtet sein werden, jedoch sehr einfach. Man hat keine andere Bettstätt
[Seite 3] als 4 Stützen in den Boden eingeschlagen und darauf Stecken gelegt, wo ein wenig Stroh von Dürkenkorn befindet. Darauf kann man ruhen und es wird noch lange gehen bis wir Federbetten haben.
Unsere Lage des Orts ist alles sehr gebirgig und mit Wald bewachsen. Es hat keine grössere Ebene bei uns als 2 Büchsenschüsse. Der Boden ist sehr gut allein zum anpflanzen gibt es noch viele Mühe. Erst vor 8 Tagen haben wir unser Land erhalten, auf 17 Personen 359 Jucharten also auf ein Kopf ca. 20 Jucharten übrig genug. Es hat hier schöne Ochsen und Kühe, allein die Kühe geben fast keine Milch. Jedoch wenn selbe gut behandelt würden wie in der Schweiz würden sie auch so gut werden. Die Pferde sind sehr schlecht, alles wird mit den Maulthieren zugeführt. Es ist bei uns keine grosse Hitze weil wir hoch liegen. Allein in Rio ist es sehr heiss. Wegen der schlechten Lebensnahrung und ungeheuren Preise der Lebensmittel sind viele gestorben. Die Colonie hat noch circa 1600 Köpfe. Jeder Kopf bekommt pro Tag 20 Schilling unser Schweizer Währung, Kinder unter 6 Jahren nichts. Der Handel ist da sehr gut, viele von der Kolonie haben schon viel gewonnen mit 100 Ldor baarem Geld kann einer pro Jahr dato 1200 Ldor gewinnen. Wie lange aber dieses Bestand hat weiss ich nicht.
[Seite 4] Sobald die Erde angepflanzt sein wird, wird alles wohlfeil werden, woran jetzt immerfort gearbeitet wird. Die Lebensmittel sind blos deswegen so ungeheuer theuer, weil der Transport so weit ist. Alles weiss Mehl und Wein kommt über Meer. Demohngeacht wäre es dennoch nicht so teuer, alleine man wuchert mit der Colonie und es gibt überall Menschen die es für nichts achten ob andere Menschen um ihr Eigenthum kommen oder nicht.
Die Colonie wird durch einen Director verwaltet, nämlich durch Monsienieur de Miranda Grosskanzler des König-Reichs und 2ter Minister und Inspector der Schweizer Colonie. Dieser ist ein herzlich guter Herr und jederman wird von ihm angehört und er hilft wo er kann. Wir hoffen auch dass er veranstalten wird dass wir sehr glückliche Menschen werden und sind gar nicht verzagt. Geld ist genug hier und in paar Jahren wenn ihm das Glück ein wenig will, hat er seine Fortüne gemacht. Man hat hier kein Luxus die Bauern gehen beinahe alle baarfuss, haben sehr schlechte Hütten und schlechte Bett. Sie arbeiten nichts, die Schwarzen nämlich die Neger machen alles. Diese werden wie das Vieh gebraucht und man handelt um sie wie bei uns um das Vieh. Ein Neger kostet 20 – 30 – 40 – 50 – bis 60 und 70 Louid'or. Wenn sie nicht arbeiten
[Seite 5] so werden sie geschlagen, und sie haben immer einen Aufseher bei der Arbeit. Ihre Lebensnahrung ist ganz ungekochtes Maniok Mehl und manchmal einwenig gesalzenes Fleisch.
Das Wasser ist gut und gesund. Wasser im Überfluss, grosse Flüsse durchwässern das Land. Die Professionisten sind hier sehr gesucht und verdienen hier sehr viel. Es mangelt uns bei der Kolonie ein guter Gerwer, und er würde in paar Jaren doch sein Glück machen. Eine Ochsenhaut kostet nicht mehr als 20 bis 30 Bazen und doch ist das Leder so theuer wie bei uns. Der Uhrenmacher macht ebenfalls sein Glück und wir haben nur einen bei uns. Ein Glas kostet 1 Patag 1 Zeiger 6 Bazen ein wenig Repration 2 bis 3 Gulden.
Das französische Geld ist das Beste für hieher zu reisen, man verliert am wenigsten.
Wenn sich circa 20 bis 30 Famillien wo jede 2000 bis 3000 Gulden am Vermögen mitnehmen könnte, vereinigen und hieher reisen würden so könnten sie versichert sein dass sie glücklich wären. Es ist hier in der Menge unbearbeitets Land und auch
[Seite 6] sehr gut. Es giebt hier ungeheure Ebenen vom allerbesten Boden, schön gelegen und man würde für die Jucharten nicht mehr als 3 Gulden bezahlen müssen.
Wenn einer hierher reisen wolte so würde ich ihm rathen Bleichentuch und Leinenzeuge, Salamen gedörte Würste und Schweitzerkäse mitzunehmen, so auch Kirschenwasser. Allein es würde eine grosse Abgabe kosten, und so müsste er noch Geld haben bei seiner Ankunft für diese dem König zu bezahlen, ansonsten bliebe seine Ware dem Tuanen.
Alle übrigen Waaren sind hier zu haben und auch resonable. Blos wegen dem Transport ist bei uns bei Neufriburg so theuer.
Von den Luzernern handelt niemand als ein gewisser Josef Lütolf von Knutwil und ich bin überzeugt dass dieser Mann in paar Jahren zu einem schönen Vermögen kommen wird. Die übrigen alle haben ihr Geld verbraucht, blos Leonz Lak hat noch weniges, allein er weiss es nicht anzuwenden.[...]
[Seite 7] [...]
Ich hätte wenigst verdient dass ich glücklich werde, weil kein Mensch auf dieser Reise ausgestanden hat was ich. Wenigst 8 Wochen musste ich auf dem Meer als ich noch krank war auf dem Boden liegen, und zwar im Wind und Regen, weil ich wegen der Hitze die im Schiff war nicht darin schlaffen konnte. Hier war ungefehr 6 Wochen ein Lager auf dem rauhen Boden ohne Decke und Kleider weil selbes noch nicht nachtransportiert war. O! vieles mussten wir ausstehen. Allein wir hoffen Gott werde uns dafür belohnen. Gewiss es ist kein Straf eine solche Reise von 2600 Stunden von seiner Heimath und mit solchen Leuten zu machen. Wenn noch ein Heid oder Türk in Europa gewesen wäre so hätte ihn Gachet unter der Maske eines Schweitzer
[Seite 8] angenommen und hierher gebracht. Kurz Gasche hat sehr schlecht mit der Colonie gehandelt, und wir haben nie empfangen was versprochen gewesen besonders nicht den Unterhalt auf dem Meer. Es wäre auch gut die Regierungen der Schweitz würden ihm sein Consulat wegnehmen und einen anderen rechtschaffenen Mann an seine Stelle anhersenden. Dieses würde der Kolonie sehr viel an Wohl beitragen. Übrigens hätten wir auch von Haus, nicht nur vom Seehafen frei und ohne unsere Kosten anher transportiert werden sollen, laut beiliegendem Vertrag.

Gestorben sind nun von Luzern von Haus bis dato
                        Personen
a. von Familie Büttler Kind    2
b. Haslimann Kind    2
c. Hecht Alois Sohn    1
d. Huobers Frau und Kinder    5
e. Hunkelers Frau und 2 Kinder    3
f. Luterbach alt und Kind    2
g. Meyers Frau und 2 Kind    3
h. Michel Rütiman und Frau und 1 Kind    3
i. Wendel Rütimans Frau und Kind    2
k. Jost Babtist Kinder    2
l. Wetterwald Familie ganz bis an 1 Kind    6
m. Wermelinger Kind    1
[Seite 9] Also in allem    32 Personen.

[...es folgen Bitten und Grüsse]
[Seite 10]   [...]

Transkription: M. Lischer

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