Staatsarchiv

Nova Friburgo:
Brief von Josef Wendelin Rüttimann an Eduard Pfyffer, Präsident des Polizei-Rates von Luzern, 1825

Brief Rüttimann

Das Original liegt im Staatsarchiv Luzern mit der Signatur: AKT 24/60.B.3

[Seite 1] Villa de S. Salvador ou Campos 11.8.1825

[er sei aufgefordert worden, sich in Rio de Janeiro bei Konsul Thermin zu melden und erhielt dort einen Auszug eines Briefes von Pfyffer in dem man verlangte, etwas über Michael und Wendel Rüttimann zu erfahren]
[Seite 2] [im Brief sei gestanden, dass seine Eltern gestorben seien und ein Vermögen hinterlassen hätten. Aber seine Verwandten hätten ihn noch am Vorabend der Abreise nach Braslien beredet, ihnen alles zu verschreiben. Er bittet, dies für ungültig zu erklären,]
weil wir damals ja nicht mehr wussten, wo wir den Kopf haben, da alles so schnell zur Abreise angeordnet worden
[…]
[Seite 3] […]
Gebe Ihnen! auch Auskunft von meiner dato bestehenden Familie. Gottlob! Die ganze grosse und beschwerliche Reise bleib ich immer gesund, und bis dato, kleine Unpässlichkeiten nichts bedeutend.
In Medenblek, einer Stadt in Holland, starb mein Töchterlein Mariannli, schon krank in Dordrecht eingeschift; in Neufreiburg am 12. Horner 1820 starb meine liebe Gattin Margaritha Imbach an einer unglüklichen Niederkunft, und abgeschwächt von den Beschwerden der Reise und mehreren Umständen.
1821 den 21. Augst verehelichte mich wieder in der Colonie, mit einer Barbara Maria Anna Widmer, Tochter eines Colonisten Josef Widmers von Küsnacht Canton Schwytz
1822 im Dezembre gebar sie mir ein Töchterlein Maria Ursula
1823 im Dezembre wieder ein zweites – Bibiana, deren Taufpathe Dr. Joste von Willisau ist, weil er nur 12 Stund oberhalb der Stadt wohnte; dannen lebt noch mein jüngerer Sohn von Heim, Johann Baptist.
[Seite 4] 1824 war mein Sohn älterer, Franz Michael Paul, bei einem Herrn in Rio de Janeiro, in dessen kleiner Venda oder Wirthschaft wie Kellner oder Caipeiro und bei einem gewaltsamen Einbruch in diese Venda von ruchlosen Dieben, 2 oder 3 Molatten ein verwegenes Volk, abends zwischen 10 und 11 Uhr vom 17. auf den 18. Augst, war solcher unglüklich, und bei diesem Einbruch ermordet. Dieser Todtfall that mir schreklich weh, weil es so geschah, und welcher Vater sollte so was nicht hart angreifen. Doch so hat's der liebe Gott gewollt! Allso…
Somit besteht meine Familie wiederum aus 5 Personen, wie ich aus dem Vaterlande zog!
Es sind nun ungefähr drei Jahre, dass ich aus der Colonie, wo ich ganz hätte zu Grund gehen müssen, fortgezogen, so diese ganze Zeit hindurch in hiesiger Stadt etabliert bin. Arbeite auf meiner Profession, so gut ich kann und mag, weil mir immer das Fonde [?] mangelte, um darniederzusetzen. Habe dabei eine kleine Venda oder Wirtschaft mit Capaca oder Zuker-[Brodtweggen] und destilliere selbst allerhand Liqueurs für mein Gewerb; bringe es so durch, dass ich ohne Schulden Weib und Kinder durchschleppen kann. Aber im Ganzen kann weder auskommen noch verderben.
[Seite 5] Schon auf unserer ganzen Reise und fortwährend in diesem unserm neuen Vaterlande ist Dr. Joste von Willisau immer mein bester Kamerad und Freund gewesen, und danke ihm viel Gutthaten zu meinem Fortkommen. Er ist glüklich und wohl. Sind 3 Jahre lang nicht weit von einander gewesen ist izt aber auch hier etabliert, und gut bekannt. Hoffe auch es werde mit mir besser kommen, wenn ich so glücklich bin, etwas von meinen lieben seligen Eltern zu erhalten um mich emporzuheben.
Habe aber von Glük zu reden, dass ich noch so durchgekommen. Habe doch keine Schulden, kann mit Weib und Kind recht leben und sind alle immer recht gekleidet. Was soviel unsere Kameraden in der Colonie nicht haben, die da kaum für's Maul fortkommen können um nicht zu hungern.
In welcher guten und schönen Gegend und Stadt wir uns befinden, mögen Sie aus den Briefen die Dr. Joste nach Haus geschrieben vernehmen. Wäre unsere in eine solche fruchtbare Gegend verlegt worden – ja! es wäre wohl anders gegangen. Aber wo sie ist, kann und wird nichts werden. Zu kalt. Nur Mais, Bohnen und Erdäpfel kommen davon.
[Seite 6] Viele Colonisten haben schrekliche Mühe verwendet und grosse Kosten gehabt auf ihren Land-Numeros und wollten es mit Gewalt zwingen gute und schöne Pflanzungen zu machen, aber umsonst: sie wurden bös und massleidig und zogen fort, da aus, dort aus, um besseres Land zu suchen, und viele kauften in Cantagallo 12 Stunden von hier Collonie, andere zu Santa Rita noch 6 Stunden weiter, eigenes Land, um bessere Pflanzungen zu machen.
Es ging ihnen just nicht übel, ihr Zwek und Willen ward erfüllt, aber wenn nun ihr Café reif so müssen sie wieder mit Juden handeln (getaufte vom Land und von der Colonie, Franzosen und Engelländer) weil sie selbst weder Neger noch Thiere zum weitertransportieren haben, allso schon Hälfte Verlust. Viele sind nach Minas, Aldèa da Pedra, haben Land umsonst bekommen, und stehn nicht bös, was will aber ein Mann allein mit Weib und kleinen Kindern machen, die ihm nichts helfen können.
Auch melde ich nach Luzern wie die Familie des Bruders Michael Rütimanns, Kupferschmidts Schiksale, Todtfälle gehabt, und wie sie bis dato existiert.
[Seite 7]  Der Bruder Michael Rüttimann ward schon samt Frau zu Dordrecht in Holland Fieberkrank, und er auf weiter Reise immer mehr: so zwar, dass er schon in Texel beim Einschiffen wassersüchtig worden und niemand glaubte, dass er Brasilien erreichen werde. Doch stund ers aus und blieb nun im Colonie-Spithal in der Stadt Macacu (Magagu) mit vielen anderen Kranken zurück, und starb darin auf Weihnächten 1819. Sein Knab Heinrich blieb bei ihm und kam dann in Colonie an, ward krank und starb bald mit der Mutter Clemenzia Mugglin = allso 3 todt.
Der Sohn Anton war beim Regiment, kam aber los und sei izt am Weg von Rio nach der Colonie, im Registo da Serra Gebirgspass, Caipeiro oder wie die Diener oder Kellner in einer dasigen Venda. Der kleinere Knabe Fidel sei bei einem Herrn Colonisten Josef Lütolf von Knutwil, zwischen Colonie und Cantagallo, auf einem Hofe, glaube nicht gar gut. 2 Töchter Zezilia und Clemenzia sind auf einem guten Hofe bei einem Portugiesen, zu Santa Rita under Cantagallo. Die Tochter Cathri bei einem Portugiesen zu Cantagallo. Reden die Sprache schon gut und arbeiten brav in weiblicher Arbeit, Nähen und Spizenmachen,
[Seite 8]   [...]

Transkription: M. Lischer

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