Staatsarchiv

Nova Friburgo:
Brief von J.-B. Jost an Schultheiss Amrhyn von Luzern, 1825

Brief Johann Baptist Jost

Das Original liegt im Staatsarchiv Luzern mit der Signatur: AKT 24/60.B.3
Der Text ist ebenfalls komplett ediert bei Nicoulin, S. 296-303

[Seite 1] An S. Exellenz HHrn. Landamman Amrhyn, Schultheiss und Räthe des Hohen Standes Luzern.

Als ehemaliger Mitbürger, und zum Besten Meiner Armen, lieben Mitcolonisten in Brasiliens wahrlich nicht umsonst so titulierten Urwäldern, des Cantons Luzern, erlaube mir die Freyheit, gegenwärtiges an Hochdieselben! ergehen zu lassen, mit der innigen Bitte, solches seiner bedürfenden Untersuch- und Beherzigung zu würdigen.
Habe zwar über gleichen Gegenstand im August laufenden Jahrs an HHrn. Eduard Pfyffer, Präsident am löblichen Polizey-Rath geschrieben. - Weil aber schon früher Briefe durch das Haus Bourdon & Fry in Bordeaux zu besorgen nicht heimgekommen, so wollte nun die Gelegenheit mit profitieren, und durch Hrn. Del. Frey, Hrn. Posthalters Sohn in Olten, der an Hrn. Vater schreibt, diess in Anschluss gegen Mitvergütung des Portos an solchen zu machen —, mit Besorg Hrn. Thermins in Rio abgehn lassen.
[Seite 2] Noch immerfort, als unserer ehemaligen Obrigkeit würdige Mitglieder, Hochgeschätzte Herren.....
Wir wissen zwar, dass die Hohen Regierungen verschiedener Cantons (Deutsch -und Engelland auch etc.) zur Unterstützung Ihrer ehemaligen armen Mitbürger, die Anno 1819 als Colonisten hieher auswanderten, aus Landes-Väterlicher Güte und Liebe für solche Subsidien an Geld (und wie es heisst: v. Engelland Kleidungs-etc Waaren) im Vaterlande aufgenohmen und hiehergeschikt, u. diese auch richtig an eine gewisse Comission in Rio de Janeiro abgegeben worden, folglich angelangt seyen. Bey gedachter Comission muss sich auch ein gewisser Hr. Thermin, sogenannter preussischer Consul oder Geschäfts-Träger in Rio befunden haben, weil dieser mit Geld und Waaren nach dem Ort unserer Colonie, Neufreyburg oder Morroqueimado (ja wohlgesagt: verbrantes Bergland, doch kalt,) gekommen, und einige Zeit da verweilt, um solche unter die Colonisten zu vertheilen. Aber leider! Da gings miserable hin!
[Seite 3] Jene die Wir schon früher aus der Colonie fortgezogen um nicht darin zu Grunde zu gehen, und anderswo besseres Auf- und Fortkommen zu suchen, wussten lange nichts von allem diesem, bis dass hin u. wieder ein Mit-Colonist von dort an unsern Neuen Aufenthalts-Ort kam, u. davon erzählte, was u. wie es gewesen. So habe Hr. Thermin eine Colonisten-Liste gehabt, die von Welsch-Pfarrer Jacques Joye, aus Canton Freyburg, u. Dr. Bazét, Franzos (somit auch bey Allem mit der Nase zuerst dabey, nach ihrer Gewohnheit), gebildet war; - worin denn auch die Welschen ganz favorisiert, u. die Deutschen hintangesetzt wurden, weil bey Letztern fast immer ein Kreuz gestanden, somit wenig, oder gar nichts bekamen; die Welschen aber ganze Säke voll Zeugs fort-trugen. - In dieser Angabe u. Erzählung fande alle übereinstimmend, konnte allso Glauben beymessen. Bitte aber um Vergebung für meine Person, weil ich's nicht selbst sah, da ich schon längst fortgezogen, und bey 40 Stunden abwesend war, - oder entfernt, in S. Fideles, 10 Stunden oberhalb Campos.
[Seite 4] Wie ich im Augst 1823 selbst nach Rio gehen musste, um Mein Examen zu passieren, und Licenciam practicandi zu erhalten, wo ich mich niederliesse, und von diesem Geschäft nur so crude, nude Was, u. Nichts wusste, gienge selbst zu diesem Hrn. Thermin, in der Hoffnung, doch wenigst von der Sache etwas Aufschluss, wenn auch weiter kein Fond zu erhalten; - Allein wusste nicht, wie Er mich abspeisen sollte - zukte die Achseln, u. gab vor, Er habe schon über alles Rechnung abgegeben, und habe nichts mehr damit zu schaffen. Seither habe aber mit Gewissheit von Mit-Colonisten vernehmen müssen, dass Sie, und andere durch Ihn von gleichen Subsidien bekommen, - in Mehr oder weniger Gehalt, von 8- bis 20 000 rs. Kürzlich konnte auch in Erfahrung bringen, dass ein Gewisser Soll - von Neuchatel, in Rio aber etabliert, und Handel treibend, an Schweizer Anliehen an Geld mache, zum Dienst mit 15 p. % ausgebend, dass Er es aus seinem eigenen Particular-Gut thun, 0 Ladroens! –
[Seite 5] Von dem man aber auch in guter Meinung steht, dass Er zu gleicher Commission gehöre u. somit en Frère die Colonisten an Capital und Zins mitnehme. Dieser Soll, Thermin, und Comp. - sollen auch zum Schein, wenn ein Colonist zu Ihnen kömmt, sich hassen, etc.; aber im ganzen unter einer Deke steken. -
HHrn. Ich schreibe Hochihnen - wie Ichs höre; - Aber niemand von uns kömmt, oder kann auf den Grund der Sache bey diesen Herrn kommen; weil die Hauptpersonen unserer Colonie bestekt, und alle übrige von solchen nur ausgelacht werden. Gottlob! dass ich schon bey 4. Jahren aus Colonie fort, u. Nichts auf diese Umtriebe sehen musste. - Aber zu fragen wird uns doch erlaubt seyn: Was auch wahres in dieser Sache zu halten seye? Ob, - Wie viel, - in welcher Ansicht, - und für Wen diese Subsidien collectiert, u. verschikt worden. Dass etwas so vorgegangen, ist nicht zu läugnen, und ohne Bedingnisse, ohne Erklärungen geschah es nicht. - Wir erkennen dafür die Wohlthaten und brüderliche Handlung unserer ehemaligen Hohen Regierungen und lieben alten Mitbrüder! –
[Seite 6] Somit seyn auch uns diese Frage erlaubt: An welches Haus oder Personnage wurden diese genannten Subsidien adressiert und abgegeben? - und welche Instructiones zur Austheilung und Repartition wurden damit verbunden? - Wir dürfen doch ganz natürlich Ihre Väterliche Sorgfalt dabey voraussezen, es seye nicht so crude, nude damit zugegangen, und um so mehr, weil oder Wenn es etwas Erhebliches in dieser Subsidien-Summe war!
Denn Hr. Obrist Carl Schmidt v. Solothurn sagte seinen Mitlandsleuten anfänglich, - dass vom löbl. Stande Solothurn allein bey 130 Louis d'ors für seine Cantons-Bürger gesteuert worden. Wie aber sein Maul gestopft war, wollte Er von allem nichts mehr wissen. Somit auch Er gehört unter die etc. - Jede Hohe Cantons-Regierung kannte doch immer unter Ihren ausgewanderten Cantons-Bürgern wenigst einen, um solchem einen kleinen Auszugs-Bericht darüber mit zusenden und somit durch diesen alle Übrigen wissen zu machen. Was, oder Wie Ihnen davon zukommen sollte - ? Wie eine Repartition zu bilden? etc. –
[Seite 7] Allein wir wussten Nichts, - wissen nichts, und werden nichts erfahren und wissen, es seye dann, dass die Hohen Regierungen, wie gesagt, einem Ihrer Ehemaligen Cantons-Angehörigen u. Mit-Colonisten würdig erachteten, Ihme über diese Angelegenheit Aufschluss u. Bericht zukommen zu lassen; - oder was zum Besten aller, -ja höchst nöthig wäre, wenn die Summe erheblich wäre, aus der Schweiz einen angesehenen und tüchtigen oder nach Altväterlichem Ausdruke: Wackern, rechtschaffenen Mann hinzusenden, um die Raubvögel im Rechte zu paken, und Ihre Brut auszuhaken! - Denn uns würden Sie nur auslachen, und Hochdero Schreiben an uns nur Verspotten etc. - Nur das seze noch hinzu, dass wir Luzerner, die Meisten nichts erhielten. Ich und meine Familie haben nichts gewusst, und nichts davon gesehen. Kenne auch Mehrere rechtschaffene Männer andrer Cantons, mit starker Familie, die das gleiche Schiksal hatten, Nichts zu bekommen, und denen Man's noch reprochierte, etwas zu wollen, da Sie doch durch Sparsamkeit, und Arbeiten nur sich in bessere Umstände erschwungen hatten.
[Seite 8] Nun bitte noch eine Hohe Regierung! mit gütiger Genehmigung eine kleine Beschreibung über die Existenz, u. allfälliges Befinden der aus dem Canton Luzern ausgewanderten Bürger, und Colonisten s. Familie zu empfangen, damit, wenn über einen oder den andern allfällige Nachfrage geschieht, wenigstens einige Notiz an ihre Familie, oder Gemeinde gegeben werden könne. Wie, und wo sich solche befinden.
Wahr ists zwar; niemand beauftragte Mich darüber, u. Niemand hats von Mir verlangt, allein Achtung für Mein altes Vaterland, Meine ehemalige Hohe Oberkeit, und Meine lieben alten Mitbrüder ruft Mir im Innersten zu: lasse Sie auch wissen, wie das Schiksal bey und nach der Auswanderung der lieben Mit-Colonisten einem oder andern wollte; Soviel! - Wer nicht auszog, in der Meinung: gebratene Tauben fliegen ums Maul, und man werde leben, ohne zu arbeiten, ohne zu sorgen traf es gar nicht bös. –
[Seite 9] Wer auszog mit Gott! - wer auszog mit Bedacht! wer daran dachte: - Aller Anfang ist schwer, und Wir Eltern werden vieles erfahren, und leiden müssen die Ersten Jahre, es ist aber unsere hohe Pflicht für unsere lieben Kinder zu sorgen, und Ihnen zu Ihrem Auf- und Fortkommen zu helfen; Wer nicht nach dem Sprüchwort: Consuetudo altera Natura: anstatt auf guten Professionen zu arbeiten, Geissbub, und Kühmelker geblieben, anstatt in gute Dorfschafften oder Städte zu ziehen, lieber im Wald mit Sak und Pak das Camp aufschlug u.s.w. - traf es nicht bös, - erschwingt sich! - Freilich wären unser Viele noch früher aus der Colonie fortgezogen, wäre es erlaubt worden, oder hätten wir eher die Landessprache innegehabt; - Wie aber von Dr. Maj. - unserm Kayser, die Freyheit ertheilt ward, uns selbst den Ort für gutfindendes Etablissement im ganzen Reiche suchen zu können, und überall Bürger zu heissen nach Inhalt des Tractats, - da gings an ein Ausfliegen, und ausstöbern, wo's jedem behagen Möchte, um Mit Sak und Pak dahin zu ziehen!
[Seite 10] Wie viele Josua's und Caleb's es allso gab, um in der weiten, ganz unbekannten Runde, - sein Ihm gefälliges Canaan zu suchen und zu finden, ist leichter zu denken als zu beschreiben. - Sehr gut, und löblich ist hierlands die liebe Gastfreundschaft, und kam uns armen, am Geld zum letzten Tropfen ausgemelkten Schweizer-Kühen sehr gut; aber denke man auch dabey Hunger ist ein guter Koch! denn wir sahen nicht darauf: - Was giebts, - sondern: wie viel zum Verzehren?- Denn p. Tag 10 Stunden zu machen, - Berg auf, Berg ab, - Wald auf, Wald ab, - durch Gräben u. Bäche, offt bis übers Patrimonium zu watten, - das machte Appetit! Wurde aber alles vergessen, nur um aus der Wüste zu kommen, und dem gewiss vorauszusehenden Elende zu entgehen. Und Gottlob! die Ausflüge glückten; - Jeder, wer's mit Weib und Kindern gut meinte, nahm die schrecklichen Weg-Reisen vor.
[Seite 11] Folgt die Liste in Alphabetischer Ordnung,
A) Jener, so noch in, oder bei der Colonie:
1. Hasliman Jos. Lz., von Malters oder Ruswyl; mit seiner Frau, und 4-5 Kindern. Auf No. 63 Colonie-Land. Nur bös.
2. Hunkeler Adam, von Menznau, - Witwer, aber wieder verehlicht, doch nicht beisammen wohnend, mit noch 2 Kindern, Schneider-Profession, so-so!
3. Huber Josef, von Grosswangen, Witwer, gut
Mit noch 4-5 Kindern. Mit Colonie-Land No. 81. Pflanzt, und verkauft, und führt kl. Handel
4. Lack, Lz., von Adelboden bey Reiden. War Witwer, wieder verehlicht mit böser, welscher Hexe - samt 2 Söhnen: Severin und Jos. Lz. = No. 22 Ld., mittelmäs.
5. Lütolf Jos., von Knutwyl - s. Frau und 6 Kindern Nahe der Colonie, 4 Legoas =, auf eigen gekauftem Café-Land, - gegen Canto-Gallo so-so.
6. Luterbach, Josef's sel. Witwe, Barbara Meyer, von Sigerswyl. 1 Sohn - Josef -, mit Bruder Martin, lahm, Schneider Profession, Jünger Jos. Anton in Rio; 1 Tochter, Gertrud, mit Hrn. Fröhlig, reichem Kaufmann aus Hamburg, in Rio etabl. so quasi verehel. 1 Tochter Cathri, mit Hr. Dardy von Freyb. verehel. u. Wirtsch. treibd., also theils so-so, theils gut.
[Seite 12] 7. Knupp Joh. v Gross-Dietwyl = auf No. 82 Col.-Land, - oder izt in Canto-Gallo -eigen Land. Mit Frau und noch 5 oder 6 Kindern. nicht bös.
8. Knupp Jos. sel. Witwe von da, auf gleichem No. 82 mit 4 oder 5 oder 6 Kindern. nur sehr bös.
9. Marfurt, Melchior, von Fischbach bei Zell, auf No. 32 gekauftem Colonie-Land, mit Frau und 3 oder 4 Kindern. nur mager.
10. Meyer Jos. - schon 2 mal Witwer in Colonie, und sey wieder verehel. - halbhölzerner Kerl, so-so.
Zog mit Wermelinger nach Macahé, um Cafe-pflanzen. zanken alle Nachbarn brav Tochter in Rio verheyr. Sohn Jos. - weiss nicht.
11. Stutz Caspar v. Alberswyl bey Ettiswyl, s. Knab bald in Colonie, bald fort. ein Nix-Nux.
12. Wermelinger Xavier, von Willisau, - Trexler, - s Frau, und 7 oder 8 Kindern; nur simple.
Hat Colonie-Land No. 61 verpachtet, und zog aus nach Macahé, etwas besser und wärmer als Colonie Land für Café. - sitzt allso im Wald mit den Affen.
[Seite 13] B) = Jene, so ganz aus Colonie fortgezogen:
13. Büttler Josef, von Schötz, seit Spätjahr 1821. Mit Mir, s. Frau, und Kindern nach Felsdorf, Aldéa da Pedra, 6 Tagreisen von Colonie, hat gutes Land bekommen, am Fluss Parahiba; Nicht bös stehend, hät's doch gern besser.
14. Hodel Josefs sel. Witwe, von Getnau, Pf. Ettiswyl; auch in Aldéa da Pedra, mit gutem Land, von braven ältesten Sohn Jakob gut unterstüzt, sowohl im Pflanzen als arbeiten. Gehn um Lohn, samt kleinem Josef und Mädchen; nicht gut, nicht bös.
a) Tochter Ma. Josefa, hier in Campos bey reicher Witwe Donna Joanna in Dienst stehend, als Hofdame, gut gewachsen, fett; und sehr heyratslustig, wär Ihr also mit wenigem wohl zu helfen.
b) Sohn Anton, - hier in Campos, - wäre nicht bös verheyrathet, ist aber ein fauler H...!
c) Sohn Johann, auch hier, als Bäckerjunge bey Hrn. Jorand, Freyburger aus Colonie wie b), aber ledig.
15. Hecht Anton, Schreiner-Gesell in Rio seit 1822. hat ordentlich gespart, sey aber sehr kränklich.
[Seite 14] 16. Joste, Joh. Bapt., von Willisau, seit 1821 Spätjahr. erstlich 3 1/2 Mon. in Aldéa de Pedra, bey Capuziner Ths. di Castelli etc., dann 3 volle Jahr bei Aldéa de S. Fideles, izt seit Ende März hier in Stadt Campos etabliert, und mit Kayserl. Patente als Arzt und Chirurg, glücklich von 100 = die 99 weg-practizierend; Mit Frau und 4 Knaben, gut zufrieden.
17. Jung Melkior, Zimmer-Mstr., von Grosswangen, auch Sax von Ulm gennant, hochdeutsch bauernd. - Mit Frau und Kind in Monte Vidéo. Süd-Ende Brasiliens gegen Buénos-Ayrés. Nur mager.
18. Marfurt, Xaver, Bruder von No. 9. - von Fischbach. Schuster. Verheyrathet mit 1 Molatta in S. Fidéles, - die Profession treibend, nix-nux, immer durstig.
19. Rüttiman Jos. Vendel.: Goldschmidt von Sursee, war Witwer, seit 1821 wieder verehl. mit Anna Maria Widmer von Küssnacht, 1 Knab Johann von Haus, und 2 kleine Töchter letzrer Ehe; Profession im kleinen treibend, - dann Licor brennend, und kleine Wirthschaft habend. Hier in Campos; brachte den Durst von Haus. so-so.
20. Rüttimann Michael, Kupferschm. v. Sursee, starb im Spithal zu Macacu; Magâgu, wassersüchtig, lebte auf der Reise unschonlich.
[Seite 15] Seine Witwe Clementz Muggli, und 1 Knab Henrik, starben in Colonie gegen Ende Januars 1820.
1 Sohn Anton, bald da, bald dort, wie allso?
1 do. Fidel, bey No. 5, Lütolf, bös tractiert.
3 Töchter in und bey Canto-gallo, bey Portugezes, gut.
21. Suppiger Bernhard, Maurer, von Willisau, - samt Madame Preguica und 4 Buben und 1 Tochterli, seit 1822 = erst in Aldéa de Pedra, dann bey St. Fidéles, izt 4 Legoas von Stadt Campos, am Bach Moriahé, - bei Portugezes campierend und auf Fazenden und Höfen in Profession arbeitend. Viel Durst, wie daheim nach Capcaça. so-so.
22. Wäterwalds Anton sel. Kinder 3 Töchter
a) Ma. Jos. bey Potuges nicht bös
b) Regina, mit 1 Molatten verheyrath. beide nix-nux
c) Anna, kleine, bey Portugez in Colonie, nicht bös
Er Vater starb in Holland, - Frau und 1 Knabe, und 1 Mädchen Anfangs 1820 in Colonie, sind von Höfen Ohlisrüthi bey Willisau. miserable
23. Vergessen Elmiger, als Jos., Weber v. Berghöfen. Alter Soldat, alter Durst, bald da, bald dort, offt bey Supiger en Compagnie zum Capaça.
24. Waser Jost. - bey Régiment. braver Tambour.
[Seite 16] C) Andrer Cantons, gut mit mir bekannt.
1. Anklin Johann, von Liersperg bey Delmont, Bruntrut, war Messerschmidt, izt seit April 1823 hier in Campos, Schmidte führend, mit 3 Töchtern und 3 Knaben. traf es gut.
2. Frey Daniel, Hrn. Posthalters Sohn von Olten, seit Juni 1823 bey Obigem mit arbeitend, und mit dessen ältesten Tochter verehlicht. Gut beysammen etabliert.
3. Moser Josef, - von Hägendorf, Canton Solothurn, - in Colonie, mit Frau und Familie; No. 11 Land Nahe Stadt. Milch, Butter, Gartenzeug etc. viel liefernd; schon 3 Töchter verehl. und ausgesteuert; brave Menschen.
4. Schmidt, Charles, - Obrist von Solothurn, brachte viel Geld, und Sachen in Colonie, aber durch seine Mitgebrachte Compagnie ruiniert. - Will heimkehren, weiss nicht, ob er's aushält.
5. Nigg Jos. Carl von Gersau = Canton Schwytz. Seit 1822 fort, fast immer in und bey Rio, -verschiedene Gewerb. Mit Frau u. 1 Mädchen = izt gut etabliert in Rio, die Schweins-Mezg besorgend.
7. Ith, Major, von Bern Stadt, war beym Regiment, izt verehl., auf Meinem No. 22 Colonie Land. so-so.
[Seite 17] Meine Hochgeschätzte Herren im Allten Vaterlande! Welche Resultate wollen Sie? allso aus diesem meinem mit Wahrheit darbringenden Schreiben ziehen?
1. Dass die armen Colonisten immerfort, von Anfang bis Dato, um eigenes, mitgebrachtes, versprochenes lt. Tractat, und Nachgesandtes zur Aufhilfe, beeinträchtigt, betrogen, u. bestohlen worden, - und zwar meist von
a) Hochansehnlichen Mit-Colonisten, die doch bestens, und mit aller Krafft für solche hätten Sorge tragen sollen; — von
b) Hochansehnlichen Européern, Deutschen etc., die sich aber nicht schämen können, izt noch, - rapuisse! - Soviel uns bekannt, sind ja nicht 100 Louis-d'ors an Geld unter ganze Colonie gekommen. — Hochsie! wissen, wie Hoch die Collecte war!?!, und was pr. Kopf unter ca. 1800 noch betroffen hätte.
c) Von Hochansehnlichen Hm. Portugiesen bey der Direction, denn am versprochnen S.V. Vieh, lt. Tractat, ist kaum das 20te Stück gegeben worden. Proficiat!
2. Dass unsere Colonie von dem Erz-Hoger v. Griers an einen Ort verkuppelt worden, der ewig Nie, mit aller Arbeit Mühe, u. Kosten-Aufwand in Aufkommen gebracht werden kann. -
[Seite 18] Denn Morro-Queimado liegt in einer hohen kalten u. angeerischen Serra, oder Gebirgskette, bey 40 Meilen, wie Bündten-Glarus,-Uri,-Wallis etc. zusammengesetzt allso hin und wieder nur ein etwas besseres Hochthal darin, um Bohnen, Mais, Kartoffeln bös, und Garten-Gewächs zu pflanzen; denn alle Süd - und hinländischen zahme Gewächse und Früchten, z.B. Bananas, Ananas, Café, -Pommeranzen, Zitronen u. s. w. Hunderte, wachsen zwar, sterben aber bey erstem Kaltwerden wieder ab.
3. Dass uns das Loch zum Aus- und Fortziehen vermacht war; so lang wir eigenes, und Subsidien-Gelder hatten; und erst. als wir sauber und rein waren, d.h. Nichts mehr hatten, und Nichts mehr von uns zu erhaschen war, die Prison aufging um aus der Wüste zu fliehen.
4. Dass jeder Familien-Vater, und einzelne, die Kopf und Sinn hatten, an Weib und Kind gut dachten, Herz und Muth besassen, alles Ungemach nichts zu achten, ausflog, suchte, und wo's gefiel, hinzogen; dass wer es that, Hände und Genie brauchte, und gescheid, und pausatim zu Werk ging, reussierte, gut durchkam, und sich nun gerettet findet; während alte Geissbuben mit guter Profession im Walde hokten, und da mit allem zu Grunde gingen.
[Seite 19] 5. Dass aber auch viele unter den Ausgezogenen alte Saufer, Tagdieben, Vagabonden sind und geblieben, und aus eigner Schuld nicht aufkommen mögen, oder wollen, und viele derselben mit Ihrem schlechten Betragen denen gut angesehnen an Ihrem Etablissements-Orts Schaden und Schande verursachen, = wie wir's erfahren.
Gleiche Beschreibung gilt auch für die Mehrern seitherigen Neüen Colonien aus Deütschland; - Wie uns, gehts auch Ihnen. - Wie Wir gute und böse Gesellen, und Familien hatten, haben auch Sie!
Wenn's demnach noch Narren in unserm lieben alten Vaterlande giebt, die gern nach Brasilien Colonisten und Betrogne seyn wollen, oder wenn es Familien und Individuen da giebt, die sich da keiner Correction unterziehen wollen, die sende man nur her, in unsere Colonie, nach Morroqueimado, - s'vergeht kein Jahr, sie sind so zahm, als Kirchen-Mäuse! Mancher von Uns öffnete die Augen, ward gut, und ist izt ein ordentlich bestehender Mann, arbeitsam, glücklich ja, im Wohlstande!
[Seite 20] Hochg. Hochg. und Liebewertheste HHrn. der löbl. Hohen Obrigkeit meines alten Vaterlandes!
Hoffe, man werde dieses mein Schreiben keineswegs mit Ungnade, gegen Mich, aufnehmen, wenn auch hin und wieder einen groben Fehler des Anstandes wegen gebrauchten Ausdrücken, oder jovialischen Bemerkungen, ich begangen. Gedrängtheit, Wahrheit, und Wehgefühl über erlittenes Unrecht, Elend, und Weh zwangen Mir, solches ab, und wo es immer allso einen Anstoss geben mochte, bitte um Vergebung.
Dabey hoffe auch zugleich Verzeihung zu erhalten, dass ich Mir die Freyheit erlaubte, mich so directe, und ungebethen damit selbst an Hochdieselben gewagt zu haben. Aber seyen Sie! versichert, ich thats aus guter Meinung, und aus gutem Herzen, um auch unsere moralische und physische Existenz Hochihnen bekannt zu machen, und denen so im Herrn gestorben ein trostreiches Requiescant in Pace, - singen zu lassen.
[Seite 21] Wenn dann endlich auch der heutige Tag des Jahr 1825 schliesst und endet, - so habe die Ehre zugleich Hochdenselben! des Neüen Jahres 1826. Eintritt mit Vollem Glükes - und Wohls-Maasse anzuwünschen
Wir wollen vereint mit Hoch-Jhnen und dem Volke den lieben All-Vater abwesend selbst hier bitten: «dass Er die seit den Unglücksschwangern Kriegs- und Revolutions-Jahren zum öfftern schon erlittnen böse Zeiten und Witterung, und Misswachs-Jahre abwenden, und auch wieder Glük, Heil, und Segen; guten Gang der Gewerben und Gewerken, und Verdienst der gesamten Staats-Bürgerschafft in unserm alten lieben Vaterlande verleihen wolle;» - so zwar: dass
Die Hohe Obrigkeit mit weniger bangem Herzen, u. beklemmter Brust für das Wohl des Jhm gewiss lieben Volkes sorgen, gütige, milde Geseze geben, auch nur geringe Steuern und Abgaben auflegen; dass hingegen das Volk selbst mit dankvollem Herzen, mit Achtung, Ehrfurcht und Liebe seiner Hohen Oberkeit begegnen, und gehorchen möge, und wolle! -

Das wünscht aus innigstem Hertzen

Hochderselben! immerfort dankbarer, und getreuer alter Mitbürger und Diener,

Joh. Bapt. Joste, Arzt und Wundarzt, m.p.

[Seite 22]   Allfällige gnädigst erwartende Antwort bitte unter folgender Adresse, in Couverte bis Hrn. Frey, Posthalter in Ölten, der gewiss seinem lieben und braven Hrn. Sohn Daniel allhier schreiben wird, - und Ersterer die Briefe wohl, und sicher an solchen zu senden weiss, da letzterer alle bisherige von ihm richtig erhalten hat, an mich abgehn zu lassen; französisch:

Jean Baptiste Joste, Med. et Chirurg: Suisse, etabli dans la ville de S. Salvador dot. pr. Rio de Janeiro. Campos-Parahiba, do sul.

Beendigt heute den 31 Dezbre 1825.

Auch bitte noch meine herzlichen Grüsse an alle, und jede, die Mich kennen, und noch liebe, zu melden; und von solchen auch wieder gegrüsst zu werden.

Korrektur / Transkription: M. Lischer

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