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unserem Schiffe, folglich war auch kein Hinderniß für uns. Jene Schiffe aber, die kranke Passagiere
haben, müssen oft mehrere Tage liegen bleiben.
Die Stadt New-York verließen wir den 24ten, am Feste des hl. Johan[n]es, Abends
um 7 Uhr. Morgens traffen wir in Albany ein u[nd] luden unser Gepäck auf ein
Kanal-Boot, wo wir uns bis Abends verweilten. Mit einbrechender Nacht setzte
sich das Schiff in Bewegung u[nd] so giengs auf diesem langsamen Fahrzeug bereits 9 Tage,
bis wir in Buffalo eintraffen. Diese Stadt erreichten wir Samstag den 3ten Juli
um 12 Uhr und verließen sie Abends 9 Uhr auf dem Dampfschiffe. Die Reise auf
dem Erie-, Huron- u[nd] Michigan-See nahm 5 Tage in Anspruch. Und so kamen
wir, wie bereits im Eingang gesagt ist, den 9ten Juli sehr frühe auf Chicago.
Hinsichtlich der Krankheit auf der See bemerke ich Euch, daß An[n]a Schnider am här-
testen hergenommen wurde. Bei einigen wars in wenigen Tagen wieder gut. Bei Mehrern
wiederholte sich die Krankheit, sobald es etwas stürmisch wurde. Gar nie mußten sich er-
brechen: Gregor Schmid v[on] Menznau, Alt-Lehrer Portman[n] u[nd] meine Wenigkeit. Unwohl und
schwindlicht aber wars mir auch manchen Tag, was aber nichts zu sagen hatte, im Verhält-
niß zu den andern Reisenden.
Dies in der Kürze über unsere Reise bis hieher, dem ich nur noch beizufügen
habe, daß es uns tüchtig Geld kostete. Die Reise im Innern des Landes ist sehr theuer. Die Lebens-
mittel sind in New-York, dem Kanal nach und in den großen Städten bereits so theuer, wie
bei unserer Abreise im Schweizerlande, was aber einerseits von der ungeheuren Ausfuhr nach
Deutschland etc. und anderseits daher rührt, daß man die Einwanderer strupft, wen[n] man sie
hat. Die Reise für uns vier hat etwas über 1000 Schweizerfranken gekostet. Mit
der[!] Uebergewicht haben sie uns tüchtig hergenommen und auch anderwärts betrogen. Ich werde
dan[n] später umständlicher hierüber schreiben u[nd] einige Winke u[nd] Ratschläge zu Gunsten der Auswan-
derungslustigen in einem öffentlichen Blatt bekan[n]t machen lassen, damit den Spitzbuben
der Weg ein bischen steiler gemacht wird. Vorläufig rathe ich jedem Auswanderer,
nicht viel mehr als 50 Pf[und] Gepäck zu nehmen u[nd] auf der ganzen Reise im[m]er nur von einer
Station zur andern seinen Tiket od[er] Reiseschein zu bezahlen.
Seit Jahren waren die Lebensmittel in Amerika nie so theuer, wie sie
im Laufe dieses Som[m]ers waren, was für den Landman[n], nicht aber für die Städte-
bewohner erwünscht sein kon[n]te. Dato sind sie wieder bedeutend wohlfeiler. Das [Pfund]
Waizenmehl, welches sehr gut u[nd] weiss ist, kostet in der Stadt 2 Cent (100 Cent ma-
chen einen Dollar = 371/2 Schw[eizer] B[at]z[en|), das Pfund Fleisch kostet 3, 4 u[nd] 5 Cent, je nach
dem man eine bessere od[er] schlechtere Sorte kauft. Zentnerweise ist der Marktpreis
2-21/2 Cent, erster Qualität. Ebenso das Schweinefleisch. Dies sind aber Stadtprei-
se, auf dem Lande ist's wohlfeiler. Zu bemerken ist aber, daß das amerikanische
Pfund leichter ist als das Schweizerpfund. Ich weiß das Verhältniß nicht ganz
genau; aber es wird ohngefähr 28 Loth halten. Das Brod ist im Verhältniß
zum Mehl theuer; indem man hier de, Holz und der Arbeit viel rechnet.
Es erscheint Euch vielleicht auffallend, daß ich noch nichts über Arbeit,
Verdienst, über unsere Beschäftigung etc. sagte. Allein in diesem Briefe kön[n]t Ihr noch
nicht viel erwarten. Die Mehrsten arbeiteten bis dato noch nicht viel. Einige sind
in der Stadt, andere auf dem Land, wieder andere u[nd] wir mit ihnen ziehen nächstens
auch von der Stadt weg. Auf dem Land hat's Arbeit in Menge, namentlich dato u[nd] der
Lohn ist groß; aber der neue Anköm[m]ling kan[n] sich mit dem hiesigen Werkzeug
nicht so gut vertraut machen, bis ers gewöhnt ist. Auch hier sind die Steinen[!]
hart u[nd] die Son[n]e scheint wärmer, als in der Heimat, was für den Anfänger ein
bischen unbehaglich ist. Das Sprichwort: "Aller Anfang ist schwer", findet gewiß
nirgends eher seine Anwendung, als beim werdenden Amerikaner. Sitten, Ge-
bräuche, Sprache, Klima, Lebensmittel, alles verschieden mit dem unseres Landes.
Schon mehr als 50 angesessene Deutsche sagten mir, daß die meisten neuen An-
köm[m]linge dem amerik[anischen] Boden und ihrem Geschicke fluchen, aber sobald einer 2-3
Jahre im Lande sei, würde er nicht mehr mit seiner Heimat tauschen. Ueberhaupt ist
es für jeden Deutschen und Schweizer, der erst in's Land kom[m]t u[nd] der Sprache nicht mächtig
ist, eine schwere Aufgabe. Alles kom[m]t nur nach u[nd] nach: Rom ward auch nicht in einem
Tage erbaut, und so denke ich, daß wir jedenfalls noch einige Dornen zu beseitigen
haben, ehe uns in Amerikas Garten die Rosen blühen.
Schon geht der Raum zu Ende u[nd] ich hätte noch so Manches zu sagen, was ich nun
für einen künftigen Brief aufsparen muß. Ihr seid vielleicht noch unbefriediget und
wünschet noch mehr Neuigkeiten. Traget ein wenig Geduld u[nd] sie werden kom[m]en. Für
dießmal möge es genügen, wen[n] ich Euch wiederholt versichern kan[n], daß wir uns gesund
befinden.
Schreibet uns mit erster Gelegenheit, wie die Preise der Lebensmittel stehen, wie
die Landesprodukte bei Euch ausfielen. Meldet etwas über Politik, Tagesereigniße, Ster-
befälle etc. etc. etc. Schreibet uns viel Neues u[nd] Tröstliches.
Gebe Gott, daß diese Zeilen glücklich über das Meer kom[m]en und Euch recht ge-
sund antreffen. Grüßet mir tausend Mal alle meine Freunde von nah u[nd] fern.
Bald werde ich wieder Etwas von mir hören lassen. Empfanget inzwischen von uns
Allen die herzlichsten Grüße. Lebet so wohl und glücklich, wie es wünscht
Euer Bruder
Ant[on] Unternährer
Alt Schullehrer
NB. Allfällige gewandte Leser dieses Briefes bitte ich um Nachsicht. Ich fand nach-
her beim Durchlesen, daß Manches verbessert sein sollte, hatte aber
nicht mehr Zeit zum Abschreiben.