Wenn die einen feiern, möchten andere schlafen. Die Benutzung öffentlichen Raums ist ein wiederkehrendes Streitthema.
Das Original liegt im Staatsarchiv Luzern, Signatur: AKT 34/228E
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Studentenwandel
An die tit[ulierte] Polizeidirection des Kantons Luzern.
Luzern, d[en] 24./25. Juni 1862
Hochgeachteter Herr Polizeidirector!
Hochgeachtete Herrn!
Unterzeichnete sind bemüßigt, Ihnen
folgenden Rapport zu übermachen:
Heute Nacht 2 1/2 Uhr, als wir uns auf
unserer Patrouill beim Schweizerhof befanden,
kam[m]en gegen der äußern Depandance 6 Mansbilder
anhergeschritten, und während ihrem Anherschreiten
wurde geruft, ja besser gesagt gebrüllt: „vivat
Garibaldi“ etc., die übrigen Worte verstunden
wir nicht, indem wir noch zu weit entfernt
waren.
Diese 6 Personen waren Studenten, bis
an einer, der sich als ein Postangestellter, Schreiber,
den wir nicht kan[n]ten, ausgab.
Vor dem Gebäude der äußern Depandans
machten fragl[iche] Personen halt u[nd] wiederholten
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gleiche Worte wieder „vivat Garibaldi“ etc. und schreien
wie Wilde.
Fragl[iche] Nachtlärmer u[nd] Ruhestörer wurden zur
Ruhe gewiesen, was aber nichts fruchtet, sondern
wollten mit uns nur noch Hohn u[nd] Spott treiben,
dem wir aber ein Ende machten, indem wir zwei
davon arretirten.
Diese zwei, mit Namen Anton Niedrist von
Brunen u[nd] <Anton> Xaver Unternäher[!] von
Escholzmatt, beide Studirende in der Philosophie,
sitzen in hiesigem Arrestzim[m]er.
Diese beide benahmen sich so grob u[nd]
roh, wie man sich’s nicht vorstellen kan[n], so daß
wir selbige nur mit Hülfe zweier Nachtwächter,
welche gerade auf obbezeichnetem Schweizerhof-
platze sich einfanden u[nd] einem Bürger, auf hiesige
Wachtstube brachten.
Student Niedrist erklärte, sie seien in
einer freien Republik u[nd] sie könen rufen, wie
sie wollen, Garibaldi sei ein Man[n] für Her-
stellung von Repupliken[!] u[nd] die Burbonen[!]
seien Untertrüker[!] etc. Morgens rufe er wieder
vivat Garibaldi etc. am Tag, aber nicht mehr
zur Nacht.
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Von den übrigen 3 Studenten kanten wir nur
noch zwei, nämlich Ludwig Kilchman[n] von Ettiswil
u[nd[ ein gewisser Bürli von Willisau-Land, welche
drei Studenten, mit dem vorgeblichen Postange-
stellten, sehr währscheinlich, die zwei arretirten
Studenten uns entreissen wollten, wen[n] sie es
gekont hätten, indem sie im[m]er hinter uns nachgelaufen kamen.
Student Niedrist u[nd] Unternäher wurden
deßhalb arretirt u[nd] anhergebracht, weil sie die
Rädelsführer des Spektakels waren u[nd] mit ihren
Stöken auf uns zuschlugen, um uns thüchtig
zu verarbeiten, was aber ihnen fehlgeschlagen.
Indem wir Ihnen diese Zeilen bei
unserer Eidespflicht übermachen, genehmigen
Sie die Versicherung unserer vollsten
Hochachtung!
Hecht
Landjäger
Vonmoos Landjäger
Verfügung: Die Arrestanten werden dem
hochw[ürdigen] Herrn Rektor des Gymnasiums u[nd]
Lyceums zur Verfügung gestellt, mit dem
Wunsche, daß er die nächtlichen Ruhestörer
angemessen ermahne u[nd] zurechtweise.
Der Polizeidirector
J. Stocker
Reg[ierungs]rath
Transkription: S. Jäggi
Einleitung, Bilder: G. Egloff
Produktion: M. Lischer