Stiftsstatuten 17. Jh.

StALU AKT 19D/104, caput 16 «de privilegiis praepositi»

1562 – das Konzil von Trient und mit ihm die «innere Reformation der Kirche an Haupt und Gliedern» geht dem Ende entgegen. Und jetzt plötzlich darf der Propst von Luzern – vom Heiligen Stuhl autorisiert – entweihte Kirchen, Altäre etc. in der Umgebung von Luzern wieder «einsegnen»; eigentlich ein Privileg eines Bischofs, steht dieser Gunstbeweis stellvertretend für die kirchenrechtliche Sonderstellung St. Leodegars.

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Der Bischof von Konstanz und die Stadt Luzern hatten – geopolitisch betrachtet – im 16. Jahrhundert wenig gemeinsam. Da war zum einen die beträchtliche räumliche Distanz der Stadt am Bodensee zu jener am Vierwaldstättersee. Jetzt, nach der Reformation, wirkte diese umso belastender, als dass Gesandte, Kuriere etc., die zwischen den Städten verkehrten, durch «ketzerisches» Gebiet reisen mussten. Noch schwerer wogen die kirchenrechtlichen Eigenheiten in der «Schweizer Quart» des Bistums, vor allem in der Innerschweiz. Schon seit dem späten Mittelalter hatten dort die weltlichen Gewalten eine weitreichende Verfügungsgewalt über die Kirche erreicht und sich damit sukzessive vom Bistum emanzipiert. Wenig zum Zusammenhalt des Bistums mit seinen verbliebenen Schweizer Orten trug auch die fehlende Koordination bei der Gegenreformation bei. Diese wurde hauptsächlich von den weltlichen Räten der katholischen Orte getragen, während die Konstanzer Kurie vom tridentinischen Reformgeist wenig beeindruckt schien.

Diese Entwicklung ging in der Folge soweit, dass Luzern und weitere Orte 1565 beim Papst formell um ein von Konstanz unabhängiges Bistum für die sieben katholischen Orte sowie die Appenzeller und Glarner Katholiken ersuchten – ohne Erfolg, wie wir wissen. Eingerichtet wurde stattdessen rund 20 Jahre später die päpstliche Nuntiatur in Luzern mit dem Ziel, die päpstliche Diplomatie in der Eidgenossenschaft institutionell zu verankern. Damit schritt die Entfremdung Luzerns zu «seinem» Bistum weiter voran, war man doch jetzt mit dem Nuntius als eine Art «Ersatzbischof» noch weniger abhängig vom «richtigen» Bischof.

Dass der Propst von St. Leodegar seinerseits ab 1562 pontifikale Handlungen vornehmen durfte, fügt sich ein in die emanzipatorischen Bestrebungen Luzern von Konstanz. Symbolträchtig waren die neuen Rechte und dann vor allem auch die Residenznahme des Nuntius in Luzern für die Hofkirche: Diese erfuhr nun ein «upgrade» beinahe zur eigentlichen Kathedralkirche.

Regest

Das Pontifikalprivileg des Propstes ist nicht als originales Papstbreve überliefert. Es liegt nicht einmal als zeitgenössisches Dokument, entweder vollständig in einer Kopie oder auszugweise als Protokoll, vor. Dass wir vom Privileg Papst Pius IV. wissen, verdanken wir den anfangs des 17. Jahrhundert neu abgefassten Stiftsstatuten, in denen auf das Privileg Bezug genommen wird.

Paragraf 16 der Statuten äussert sich über die Privilegien des Propstes (De privilegiis praepositi). Dort wird festgehalten, dass der Propst, welcher immer es auch sein möge, solange er «nur» kanonisch gewählt und anschliessend im Amt bestätigt wurde, die päpstlich verfügte Freiheit und Möglichkeit habe (habet plena et libera licentia ac facultate …), Kirchen, Klöster, Altäre, Friedhöfe und überhaupt alle heiligen Orte, die durch Mord oder vergossenes Blut verunreinigt worden sind, von sich aus wieder herzustellen (die vorgängige Weihe des Wassers bleibt freilich dem Bischof von Konstanz oder einem anderen Bischof oder Erzbischof (Antistes) vorbehalten).

Über die Wiederweihe von entweihten Orten hinaus sehen die Statuten für den Propst noch weitere päpstlich privilegierte Weihebefugnisse vor, nämlich Messgewänder zu weihen, dazu Messgerät, Taufbrunnen, Glocken sowie überhaupt alle für den nach römischen Ritus notwendigen Gegenstände.

Gegeben zu Rom bei Sankt Peter unter dem Fischerring am 18. April 1562 im dritten Pontifikatsjahr

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