Karl Fabel, Terror Institut, Luzern, 1917-1919

Im Archivkatalog des Staatsarchivs finden sich zahlreiche Unterlagen zu kirchlichen oder universitären Instituten, es finden sich pathologische Institute, Treuhand-Institute, Töchter-Institute etc. und auch eher überraschende Einträge wie das Eilboten-Institut "Rote-Radler" .

Doch in welchem Bereich ist eine Firma namens "Terror Institut" tätig?

Was ist das "Terror Institut"?

Eine kurze Internet-Recherche zum Begriff „Terror Institut“ brachte keine Resultate. Warum wurde dieser Name gewählt? Was bedeutete der Begriff "Terror" zu Beginn des 20. Jahrhunderts?

Das lateinische "terror" meint "Schrecken" oder "Angst und Schrecken bereitendes Geschehen". Der Staatsphilosoph Thomas Hobbes (1588-1679) betrachtete den "terror of legal punishment", den Schrecken durch gesetzliche Bestrafung, als notwendige Voraussetzung für das Funktionieren eines Staates. Während der französischen Revolution war "terreur" die Selbstbezeichnung der Herrschaft Robespierres und der Jakobiner. In dieser Zeit fand der Begriff "Terror" Eingang in die deutsche Sprache.

Die vorstehende Worterklärung aus wiktionary bietet aber keine Hinweise darauf, welche Bedeutung der Begriff 1917 hatte und warum er in einem Luzerner Firmennamen vorkommt.

Vergleiche auch:

  • Allgemein in wikipedia zu Terror und Terrorismus
  • Zum Begriff vor 1820: Gerd van den Heuvel, Terreur, terroriste, terrorisme. In: Handbuch politisch-sozialer Grundbegriffe in Frankreich 1680-1820, Heft 3, 1985
    (In der Bibliothek des Staatsarchivs unter der Signatur A.a 238:3 oder in Google Books)

Was finden wir im Staatsarchiv?

Akte Karl Fabel

Die betreffenden Unterlagen des Handelsregisteramtes sind allerdings sehr knapp und geben uns auf den Ausschnitten aus dem Schweizerischen Handelsamtsblatt (S.H.A.B.) und auf Meldeformularen neben dem Datum der Anmeldung (21.02.1917) und der Abmeldung (26.04.1919) nur in sehr wenige Informationen.

Quelle:

  • Staatsarchiv Luzern, Handelsregisterbelege A 1044/6189, Karl Fabel, Terror Institut, Luzern

Wer war Karl Fabel?

Neben der Firmenbezeichnung bietet uns der Handelsregistereintrag auch noch einen Namen und eine Adresse. Wer war der Firmengründer?

Karl Fabel wurde 1856 in Frankfurt a. M. geboren. Dort heiratete er 1889 Marie Sonntag, 1890 (Felix) und 1891 (Leo) wurden zwei Söhne geboren. Ein dritter Sohn (Egon) wurde 1893 in Paris geboren.

Ursprünglich im Pelzhandel tätig, finden wir Karl Fabel später in Zürich, wo er die Verkaufsfiliale der Ofenfabrik Sursee führt. Nach dem finanziellen Zusammenbruch dieser von Franz Xaver Weltert (1848-1940) gegründeten Firma wurde Fabel 1898 deren Direktor. 1907 trat er aus familiären und gesundheitlichen Gründen als Direktor zurück. Er blieb aber mit der Ofenfabrik verbunden: 1909 wurde er in den Verwaltungsrat und gleichzeitig zum Delegierten des Verwaltungsrates gewählt. 1913 wurde er Präsident des Verwaltungsrates, gleichzeitig wurde auch sein Sohn Felix Mitglied des Verwaltungsrates. Karl und Felix Fabel demissionierten als Verwaltungsräte am 26.9.1914.

Fabel war deutscher Staatsangehöriger, 1906 wurde er eingebürgert und erhielt das Bürgerrecht der Stadt Luzern.

Ab 1898 wohnte die Familie in Sursee, ab 1904 in der Stadt Luzern: Wir finden ihn in den Luzerner Adressbüchern 1904-1909 an der Seehofstrasse 9, 1911-1918 auf Musegg 4. Im April 1919 (gleichzeitig mit der Löschung des Terror Instituts) zog er wieder an die Seehofstrasse 9. 1933 verliess er Luzern und ging nach Bévilard im Kanton Bern, wo er 1937 starb.

Literatur und Quellen:

  • Andrea Willimann, "Wenn hier Orts eine solche Fabrike errichtet würde, es für niemand zum Nachtheil wäre" : die Luzerner Landstadt Sursee und die Fabrikindustrialisierung 1870 bis 1910. Sursee, 2005 (speziell Seiten 66-80 zur Ofenfabrik) (in der Bibliothek des Staatsarchivs unter der Signatur E.e 187:7)
  • Adress-Buch von Stadt und Kanton Luzern
    (mit wechselnden Titeln in der Bibliothek des Staatsarchivs unter der Signatur A.a 48)
  • Staatsarchiv Luzern, Handelsregisterbelege A 1404/72 Therma Grossküchen Produktion AG, Sursee (frühere Namen: Aktiengesellschaft der Ofenfabrik Sursee, Sursee-Werke AG)
  • Staatsarchiv Luzern, Personalien, AKT 413F/1 Einbürgerung Karl Fabel und Familie
  • Stadtarchiv Luzern, Häuserverzeichnis Einwohnerkontrolle

Was machte das Terror Institut in Luzern?

Karl Fabel gründete die Firma im Alter von 61 Jahren, bereits nach 2 Jahren gab er sie wieder auf. In dieser Zeit scheint sie nicht weiter aktenkundig geworden zu sein.

Der Firmenzweck lautete "Herstellung und Vertrieb chemischer und bakteriologischer Präparate". Ihre Existenz fällt in die Zeit des ersten Weltkrieges, einer Aufschwungphase für die chemische Industrie. An der angegebenen Adresse "auf Musegg 4"- einem Wohnhaus gleich an der Museggmauer in Luzern - konnten aber höchstens in bescheidenem Masse chemische Präparate hergestellt werden. Grössere Fabrikationsanlagen oder zahlreiches Personal hätten vermutlich ihren Niederschlag in staatlichen Unterlagen gefunden. Welche Aktivitäten tatsächlich durchgeführt wurden, konnte nicht geklärt werden, denn auch weitere staatliche Unterlagen (z.B. Steuerregister) sind aus dieser Zeit nur lückenhaft vorhanden.

Wie viele andere private Firmen hinterliess auch das "Terror Institut" nur wenige Spuren. Vielleicht wissen Sie mehr zu dieser Firma? Wir würden uns über Ergänzungen und Kommentare freuen.

Autor: Markus Lischer

 

Nachtrag (2016)

Obwohl die Firma nur 1917-1919 existierte, fanden sich 2 spätere Hinweise:

In der Schweizerischen Bienenzeitung (1929 S. 342) erwähnt ein B. Dürr, er habe vor einigen Jahren die im Bienenhaus eindringenden Waldameisen "mit weissem Ameisenpulver vom 'Terror-Institut' Luzern" bekämpft.

Im Juni 1924 erhielt Karl Fabel durch die Interkantonale Kontrollstelle eine Bewilligung für den freien Verkauf  eines Heilmittels:

Nr. 2665: Karl Fabel, Luzern: Blatta Pulver
Enthaltend Verbindungen der Kieselfluorwasserstoffsäure, wird zur Vertilgung von Käfern, Ameisen, Wanzen etc. empfohlen.
Das Pulver muss mit einem blauen, wasserlöslichen Farbstoff deutlich gefärbt werden.
Antrag: Bewilligung des freien Verkaufs unter obiger Bedingung.

(Auskunft durch Swissmedic, Schweizerisches Heilmittelinstitut, 9.10.2015. Blatta ist die wissenschaftliche Bezeichnung für Küchenschaben)

Briefkopf Terror Institut Luzern

Nachtrag (2017)

Ein weiterer Hinweis auf die Firma: Karl Fabel bot in 2 Briefen der Cotta'schen Verlagsbuchhandlung Bücher zur Veröffentlichung an, am 29.8.1916 Erzählungen (wobei Fabel nicht der Autor war), am 1.12.1917 ein kleines Werk "über Fakulative Zeugung (Knaben oder Mädchen)". Beide Bücher wurden vom Verlag nicht aufgenommen.

Interessant ist das im zweiten Brief benutzte Briefpapier mit Briefkopf  des Terror Instituts (durchgestrichen, vermutlich da es sich um ein privates Schreiben handelte).

(Hinweis durch Deutsches Literaturarchiv Marbach, 4.10.2017)

 

Nachträge (2020)

Nachdem die Newsplattform zentralplus über das Terror-Institut berichtete (Philippe Bucher, Das «Terror Institut» in Luzern: Giftgas oder Ameisenpulver?), ergaben sich noch weitere Hinweise und Spuren: 

Zeitgenössische Spuren der Firma resp. ihrer Produkte:
In der Zeitung "Le Jura" findet sich ein Inserat, in dem R. Friedli aus Neuchâtel Werbung macht für die "Bacilles Terror" des Terror Institut in Luzern gegen Ratten, Mäuse und Wühlmäuse. Zusätzlich lassen sich mit einem "Poudre Terror" auch Schaben und Ameisen bekämpfen.

Das Inserat erschien zwischen Mai und Juli 1917 mindestens 5 mal in "Le Jura" (online in e-newspaperarchives.ch), ebenfalls 3 Mal in Neuchâtel im "L'Express".

(Danke für den Hinweis, Yosvany)

 

In der "Schweizer Hotel-Revue" erschienen 1920 und 1924-1926 verschiedene weitere Inserate (zu finden in e-periodica.ch):

Das "Blatta-Pulver früher Terror-Pulver genannt, vertilgt zuverlässig Schwaben, Russen, Grillen und Ameisen".

Obwohl die Firma inzwischen aus dem Handels-Register gelöscht war, inserierte sie weiterhin unter der Adresse "Terror-Institut", 1920 in Luzern 7 und später in Luzern 3.

Erweitert man nun die Suche auf den Begriff "Terror-Pulver" findet man ähnliche Inserate in Deutschland - hier ein sehr ähnlicher Text zu "Terror-Bazillen" und "Terror-Pulver" aus der Schlesischen Zeitung vom 9.9.1918. Ein Zusammenhang zum Terror-Institut ist jedoch nicht ersichtlich.

Ein 1921 in Leipzig erschienener Aufsatz analysierte u.a. Anzeigen zu Schädlingsbekämpfungsmitteln und fand mehrfach vergleichbare Produktenamen wie das "Wanzenpulver 'Terror'", das "Terror Schwabenpulver" oder das "Terror-Pulver"
(Albrecht Hase, Über die wirtschaftliche Bedeutung von Ungeziefer und Schädlingen sowie über einige Aufgaben der Praxis aus der angewandten Zoologie besonders Entomologie. In: Zeitschrift für technische Biologie, VIII (1921), 155-193, hierzu S. 167, 169, 172, die 3 Fundstellen online).

So stösst man denn auch in anderen Inseraten auf die Begriffe "Terror-Pulver" und "Terror-Bazillen". Hier ein Inserat aus dem "Unterhaltungsblatt und Anzeiger für den Kreis Schleiden und Umgegend" (das ist in Nordrhein-Westfalen), erschienen am 3. März 1920. Die gleiche Illustration wie oben bereits gezeigt. Hier kommt das Angebot von einer Berliner Firma bzw. deren Abteilung "Terror".

Offenbar ist der Begriff in dieser Verwendung doch nicht etwas so spezielles... 

Nachträge (2021)

Dass die Benennung «Terror Institut» aber auch 1919 schon auf Skepsis stiess, zeigt nebenstehender kurzer Artikel aus dem Feuille d'avis de Lausanne vom 15.03.1919.

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