Das patente Velo

Die Sammlung der Patentschriften

Seit Herbst 2000 besitzt das Staatsarchiv Luzern unter der Signatur PA 381 einen Bestand von 5161 Patentschriften aus den Jahren 1889 bis 1968 aus der Patentbibliothek Wil. Diese war (neben Genf und Lugano) eine Aussenstelle des Eidgenössischen Instituts für Geistiges Eigentum in Bern. Sie bewahrte Duplikate der Patentschriften auf und machte sie für die Öffentlichkeit zugänglich. Die Bibliothek wurde 1999 geschlossen. Auf eine Initiative des Staatsarchivs Thurgau hin wurden die Patente, die ursprünglich nach Branchen und innerhalb der Branchen nach Laufnummern abgelegt waren, nach Wohnsitz des Erstanmelders auf die Kantone aufgeteilt und den Staatsarchiven zur Übernahme angeboten.

Es handelt sich hier also um die Patentanmeldungen von Personen, die im Kanton Luzern wohnhaft waren, sowie von Institutionen mit Sitz im Kanton Luzern. Seit 2012 ist der Luzerner Bestand detailliert erschlossen. Alle diese Patente sind beim Einzelstück verlinkt mit der kostenlosen Patentrecherche des Europäischen Patentamtes Espacenet. Sie können auch direkt dort suchen (z.B. mit den hier als Teil der Signatur verwendeten Patentnummer, unsere PA 381/168.275314 finden Sie, indem Sie "CH275314" eingeben), dann den Link zum "Originaldokument" anklicken.

Auch weitere Archive bieten mehr oder weniger detaillierte Verzeichnisse z.B. in Basel-Stadt , St. Gallen , Thurgau , Zürich. Sämtliche Patente lassen sich auch über die Patentsuche des Europäischen Patentamtes finden und im Originalbild (PDF) anzeigen.

 

Ein Beispiel: Kinderfahrrad

Das Patent

Caspar Müller ersuchte 1921 um Patentierung eines Kinderfahrrades, das sich durch höhenverstellbare und mit einem Schwungrad gekoppelte Pedale auszeichnete. Das Patent wurde am 1.6.1922 veröffentlicht (Download).

Unter dem Namen "Velonette" wurde es zudem am 19.8.1921 als Marke im Schweizerischen Handelsamtsblatt publiziert.

 

Patent

Der Erfinder

Caspar Müller wurde am 1.11.1871 in Luzern geboren als Sohn des Bäckers Caspar Müller und der Barbara Studhalter. Vermutlich besuchte er 1889-1893 als Dekorationsmaler die Kunstgewerbeschule in Luzern. 1903 war er von Beruf Zeichnungslehrer und wohnte in Herisau. In Biel heiratete er Bertha Mutschler und kehrte dann nach Luzern zurück. Hier hatten sie 3 Kinder (1907, 1909 und 1914). Im Adressbuch der Stadt Luzern finden wir die Familie zwischen 1907 und 1929 an 7 verschiedenen Adressen, Caspar Müller scheint als privater Zeichenlehrer und Kunstmaler gearbeitet zu haben, nähere Angaben lassen sich jedoch nicht finden.

Detailzeichnung von Caspar Müller. Aus: Staatsarchiv Luzern, PA 467/395
Abbildung: Detailzeichnung von Caspar Müller. Aus: Staatsarchiv Luzern, PA 467/395

Die (bisher) einzigen weiteren Spuren sind seine vermutlich sechs Patente:

  • Hülfsmittel zum Zeichnen von durch Projektion vergrösserten Entwürfen, Zeichnungen, Bildern etc. (1906) (Download)
  • Schutzvorrichtung an Verschlusspfropfen (1915) (Download)
  • Schiebeknopfverschluss (1915) (Download)
  • Christbaumkerzenhalter (1916) (Download)
  • Einrichtung zum Ziehen von Verschlusspfropfen (1916) (Download)
  • Kinderfahrrad (1921) (Download)

1929 zieht die Familie aus Luzern weg und die Spur verliert sich. Caspar Müller stirbt 1951 in Walchwil ZG.

Die Firma

Zum oben erwähnten Kinderfahrrad finden sich in den ebenfalls im Staatsarchiv Luzern liegenden Geschäftsakten der Firma Lachappelle AG weitere Unterlagen.

Nach der Einreichung des Patentes am 15. April 1921 vergab Caspar Müller im Lizenzvertrag vom 14. Juni 1921 der Firma Lachappelle Holzwerkzeugfabrik die alleinigen Fabrikations- und Vertriebsrechte für das "VELONETTE". Diese Abmachungen wurden ergänzt um Vertriebsrechte in weiteren Ländern.

Velonette
Zusätzlicher Plan (Download)
Ausschnitte aus Werbefotos (vollständig als Download)
Velonette
Velonette
Velonette
Velonette
Auschnitt aus dem Prospekt (Download)

Im Verkaufskatalog taucht das "VELONETTE" nicht auf, allerdings finden wir es als lose Beilage zum Katalog von 1925

Der Preis von Fr. 80.- bis 90.- (verglichen mit dem durchschnittlichen Stundenlohn eines Arbeiters von unter Fr. 1.50) zeigt aber, dass dieses Kinderfahrrad ein exklusives Vergnügen bleiben musste. Ob sich die Lizenzierung kommerziell auszahlte? Darüber geben die Geschäftsunterlagen der Firma keine Auskunft.

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