Weitaus die meisten der Siegel in unserem Urkundenbestand bestehen aus Wachs, dazu kommen unzählige Lack- und Papiersiegel in den Akten. Nur wenige Kanzleien haben Siegel in anderen Materialien gefertigt, als wichtigste bezogen auf unsere Bestände die päpstliche Kanzlei (daneben finden sich Bleibullen des Dogen von Venedig und des Grossmeisters des Johanniterordens).
«Unsere» über 150 Papstbullen (die älteste datiert von 1209) weisen in der Regel alle dieselbe Ikonographie auf, wie sie seit Papst Paschalis II. (1099-1118) üblich war: Auf der einen Seite steht auf drei Zeilen verteilt der Papstname mit der Ordnungszahl, die andere Seite zeigt die Köpfe der beiden Apostelfürsten Petrus und Paulus mit der Beischrift «S[ANCTUS] PA[ULUS] S[ANCTUS] PE[TRUS]» (sog. Apostelstempel).
Es gibt jedoch eine Ausnahme von diesem Typus, die Bulle des Papstes Paul II. (1464-1471). Ein Exemplar dieser besonderen Bulle hat sich im Urkundenbestand «Oberdeutsche Minoritenprovinz» erhalten (
URK 514/9151).
Statt des einfachen Papstnamens zeigt sie eine Audienzszene: Der Papst, bekrönt mit der Tiara und bekleidet mit dem päpstlichen Ornat, sitzt erhöht auf einem mit floralen Motiven versehenen Thron; die Stufen davor sind mit einem Teppich bedeckt. Die Beischrift auf der rechten Seite lautet «PAVLVS / P[A]P[A].II.». Zu beiden Seiten des Throns sitzt je ein Kardinal, erkenntlich am Prälatenhut. Vor dem Thron knien sieben Bittsteller, der vorderste unter ihnen ist durch die Tonsur als Kleriker gekennzeichnet. Mit dieser Szene wird das Selbstverständnis des Papstes augenfällig gemacht: Nach Jahrzehnten des Konziliarismus (Konzilien von Konstanz 1414-1418 und Basel 1431-1449) stellt sich der Papst als unangefochtenes Oberhaupt der Kirche in Szene, dem das Kardinalskollegium und die Gemeinschaft der Gläubigen untergeordnet sind.
Die andere Seite zeigt die Apostel Petrus und Paulus. Sie sitzen einander zugewandt auf Thronen, zwischen den beiden steht ein Kreuz auf einem Sockel. Petrus hält Schlüssel und Buch in den Händen, Paulus Schwert und Buch. Zwischen ihren nimbierten Köpfen ist senkrecht die Legende «.S.PAV[LVS] / .S.PET[RVS]» eingefügt.
Weiterführend:
- Thomas Frenz, Papsturkunden des Mittelalters und der Neuzeit, Stuttgart 22000, S. 55.